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226 Psychische Studien. XLJI. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1915.)
(S. 468 ff.) : „Ein einleuchtender Grund, der eine zu hohe Einschätzung
(der Ekstase) verbietet, ist die allbekannte Tatsache von
der Wichtigkeit, die man der Ekstase vielfach im Bereich der
Pseudomystik beigelegt hat. Daß Philo und Plotin von ihren
eigenen ekstasischen Zuständen berichten, mag auch hier Erwähnung
finden; letzterer vor allem weiß mit Wärme von den kostbaren
Zeitfristen zu bprecheu, in welchen er aus der Außenwelt
heraustritt und, bei sich selbst einkehrend, in eine wundersame
Schönheit hineinblickt. Plotin fühlt, daß er über alles Intelligible
sich emporgeschwungen und mit der Gottheit eins geworden." Nach
Zahn lag der Fehler der Rationalisten keineswegs darin, daß sie
natürliche Ekstasen festzustellen suchten, und auch nicht darin, daß
sie mit den etwa festgestellten natürlichen Ekstasen die ekstatischen
Phänomene im Leben der Heiligen in vergleichende Betrachtung
nahmen, was bekanntlich auch Männer wie Benedikt XIV. getan
haben. Freilich bedeute die Möglichkeit einer natürlichen Ekstase
noch nicht das Zugeständnis, daß bei den gnadenvollen Ekstasen,
v.ie sie im Leben der Heiligen berichtet werden, das übernatürliche
Moment auszuschalten sei Es zeige sich bei den Ekstasen der
Heiligen eine harmonische Verbindung natürlicher und übernatürlicher
Momente. Meines Erachtens ist das Hauptgewicht darauf zu
legen, daß die Ekstase kein Wunder ist, sondern in den Bereich der
natürlichen Seelenkräfte fällt. Dabei kann aber natürlich die Anregung
zum Eintritt einer Ekstase von Gott selbst ausgehen, ebenso
wie gewisse Gedanken in der Seele von oben, durch die Gnade, angeregt
werden können. Aber die Gedankenarbeit als solche bleibt
etwas Natürliches. Und so halte ich auch die „Levitation', d. h. die
körperliche Erhebung für kein Wunder. —
Der bekannte kath. Philosoph Gutberiet bekundet die gleiche
Auffassung. Er meint,0) es wäre nicht unmöglich, daß die strenge
Aszese, das energische Geistesleben der Heiligen ihrem Geiste eine
ständige Herrschaft über den Leib erworben, die sonst nur dem Zu-
stand des verklärten Leibes aufbewahrt ist. Diese Erhebungen seien
bei manchen Heiligen so häufig eingetreten (z. B. bei Joseph v.
Cupertino, Petrus v. Alcantara. Franz Solan), daß man eher an
eine habituelle Disposition als an ein in jedem einzelnen Falle von
Gott eigens gewirktes Wunder denken möchte. „Ich möchte derartige
mystische Erscheinungen im Leben der Heiligen nicht als so
absolut und sicher übernatürliche Wunder bezeichnen, daß sie der
Anologet als stringente motiva credibilitatis für den christlichen
Glauben gebrauchen könnte. Nun sind freilich die Medien und
Hypnotiker keine Aszeten und Heilige, aber abnorm ist jedenfalls
bei ihnen das Verhältnis des Geistes- bzw. Vorstellungslebens zu
den leiblichen Dispositionen.*' Mit diesem sehr beherzigenswerten
Geständnis Gutberlets halte man nun z. B. zusammen die sehr gut
beglaubigten Phänomene des Schotten Home7) und man begreift,
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