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Ludwig: Die stigmatisierte Tertiarin Maria Beatrix Schuhmann. 231
frühzeitiges Leiden zu ihrem priesterlichen Wirken zubereitet
Und wenn sie nun schließlich gewürdigt wurde, auch äußerlich
(durch den Empfang der Stigmata) ihrem Herrn
verähnlicht zu werden, so haben wir ein begründetes
Recht zu sagen, es war das eine Gnadengabe.18) Wer freilich
einen persönlichen Gott und dessen mannigfaches Wirken in der
Menschheit leugnet, wer für das mystische Gebets- und Leidensleben
keinen Sinn hat, mit dem ist nicht zu streiten. Auch sollte
doch dem Auge des tiefer Blickenden nicht entgehen, daß ein
wesentlicher Unterschied obwaltet zwischen der Hysterie und dem
religiös erhöhten Gefühlsleben der Heiligen, wie ich dies in der
Studie über Gemma Galgani des näheren ausgeführt habe. Man
muß nicht alles unter das Schema „Hysterie** pressen wollen.
Doch ist die zünftige Medizin jetzt wenigstens soweit gekommen,
daß sie die Realität des Phänomens anerkennt und nicht mehr
darüber lacht, wie noch 1887, als Dr. Moll in der Berliner medizinischen
Gesellschaft über die Stigmatisation sprach.19) — Über
Maria Schuhmann liegt übrigens ein sehr beachtenswertes G ut -
achten des sie behandelnden Arztes Di. Hillmeier vor, der die
Stigmata genau beschreibt,20) von ihrem unantastbaren Charakter
Zeugnis ablegt und seine Überzeugung dahin ausspricht, daß
sich ein höherer Einfluß nicht verkennen lasse. Eine
Reihe von Zeugen haben diese Stigmata gesehen,21) doch verbot
der damalige Bischof von Passau auswärtigen Geistlichen (die
teilweise aus Neugierde kamen), die Kranke zu besuchen, wohl,
wie der Verfasser meint, weil er einer krankhaften Wundersucht,
die überall das Walten außerordentlicher Einflüsse sehen möchte,
ebenso fern stand wie einer allzu ängstlichen Wunderscheu, die
gar nichts Übernatürliches anerkennen will. Die Wundmaie, die
bei Gemma Galgani auf deren Gebet verschwanden, blieben bei
Maria bis kurz vor ihrem Tod sichtbar. Sie verschwanden nach
ihrer letzten Krankheit im Juni 1887. Es sei, so gab sie ihrem
letzten Beichtvater, dem Verfasser der Schrift, an, gewesen, als
ob ein förmlicher Kampf zwischen Natur und Übernatur sich vollziehe
. Wenigstens zehnmal kamen und verschwanden die roten
Male. Es schien ihr das ein sicheres Zeichen ihres baldigen Todes.
Am 29. August 1887 starb sie. — (Schluß folgt.)
*) „Das verborgene Leben und Leiden der frommen Teitiarin
Jungfrau Maria Beatrix Schuhmann von Pfarrkirchen" von Wiih.
Maier. Passau, Kieiter, 1914. 201 8. Preis 2.50 M. — 2) Freilich
scheinen ihm manche der neueren Darstellungen unbekannt geblieben
zu sein. — Vgl. Perty „Die mystischen Erscheinungen
der menschlichen Natur" 1861; Kiesewetter „Geschichte den Okkultismus
," 2, Aufl., 3 Bände; Flammarion „Unbekannte Naturkräfte
", Stuttgart 1906; derselbe „Rätsel des Seelenlebens" ebenda;
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