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238 Psychische. Studien. XLII. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1915.)
in unserem Gehirn hervorruft, ohne daß ein besonderer
Zweck damit verbunden zu sein braucht. Eine dritte Annahme,
die es in diesem Falle zu widerlegen gilt, ist uns besonders von
Seiten der Theosophie nahegelegt, nach der sich z. B. der Ätherkörper
kurz nach dem irdischen Tode auflöst, da er nur dazu dient,
den Verkehr zwischen Geist und Körper zu vermitteln. Könnte es
nicht möglich sein, daß auch der Fluidalkörper nur ein Mittel zu
einem bestimmten Zwecke im Körper ist und daher überflüssig
wird, wenn dieser Zweck mit dem Tode des Menschen ausscheidet
? {)
Es ist selbstverständlich, daß jene drei Nachweise auch für
den ersten der beiden Beweise für ein Fortleben der Seele nach
dem Tode die unerläßlichen Vorbedingungen sind, und daß sie
daher zu den Vorarbeiten gehören, die schon früher erwähnt
worden sind. Es bleibt also nur noch übrig, auch hier die transzendente
Seite des Problems zu behandeln, wenn durch jene drei
Nachweise die Tatsache erwiesen ist, daß jener Fluidalkörper tatsächlich
einen Selbstzweck hat, der natürlich erst nach dem Zerfall
des physischen Körpers in Wirksamkeit treten kann. Undenkbar
ist es zunächst, daß jenes gesetzgebende Prinzip, das als Urheber
jenes Körpers anzusehen ist, ihn im Augenblicke des
iidischen Todes zerstörte, da wir ihm dann wie dem vorhin genannten
ein smnloses Handeln als Tendenz zuerkennen müßten,
was mit seiner gesetzgebenden Tätigkeit in Widerspruch stünde.
Aber auch dann, wenn wir eine jenem gesetzgebenden Zweck
übergeordnete Intelligenz annehmen würden, die imstande wäre,
jenen Fluidalkörper bei seiner Trennung vom irdischen Körper
zu vernichten, geraten wir in große Widersprüche: es wäre nicht
einzusehen, inwiefern jenes übergeordnete Prinzip, das natürlich
dann ein ebenso sinnloses Handeln als Tendenz haben müßte,
noch eine ihm untergeordnete Intelligenz in Tätigkeit treten ließ 2,
deren Wirksamkeit sich eben in vernunftmäßiger, gesetzgebender
Weise äußert.7)
Gelangen wir auf diese Weise dazu, nicht nur die Möglichkeit
des Fortlebens der Seele zu erweisen, sondern die Tatsache selbst
p)) Andere Versuche, den Fluidalkörper als Sitz der Empfindung
mechanisch zu erklären, sind besonders vom Standpunkte der
Energie gemacht worden; über ihre Widerlegung siehe meinen Aufsatz
über „Das Christusproblem mit besonderer Berücksichtigung
des Okkultismus" im Jahrg. 1913, S. 275 ff.
7) Die transzendente Seite des Durville'sehen Beweises läuft
also, in einfacherer Weise ausgedrückt, auf die Unmöglichkeit der
pessimistischen Weltanschauung hinaus, Das Weltall kann, wie
sich Maeterlinck („Vom Tode") ausdrückt, nicht sinnlos (das heißt
gegen seine bessere Erkenntnis handelnd) sein, und die geistige
Geschichte der Menschheit zeigt zur Genüge , inwieweit sich diese
Tatsache in der Entwickelung selbst verwirklicht hat.
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