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240 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. G. Heft. (Juni 1915.)
Auf diese Weise lassen sich auch Probleme in den Bereich wissenschaftlicher
Erkenntnis ziehen, die scheinbar schon halb im Übersinnlichen
liegen, wie die Ankündigung Verstorbener im Augenblicke
des Todes. Denn ist einmal die Tatsache der Telepathie
festgestellt, so wird man auch genötigt, in diesem Falle eine Wir-
kung dieses Vorganges zu sehen, wenn zu erwarten war, daß der
Sterbende während der letzten Augenblicke seine Gedanken auf
eine gewisse Person gerichtet hat. s) So wird die wissenschaftliche
Analyse an der Hand des Materials, das für die Beobachtung
am lebenden Menschen vorliegt, zum Ausgangspunkte aller wissen-
schaftlichen Forschung, die sich auf den Okkultismus erstreckt,
und es wird ihr dadurch ein kräftiger Riegel vorgeschoben, wenn
sie sich, wie so oft, auf das uferlose Meer \on Meinungen und
Hypothesen hinausbegeben will.
Allerdings würde es ein großer Fehler sein, diese neue Wissen-
schaft ihrerseits wiederum auf das rein Mechanische, Nicht-
transzendentale beschränken zu wollen, da ihr dann gerade das Beste
genommen würde, was sie vor anderen Wissenschaften voraus hat.
Es wird nach Abzug jener ersten Bestandteile immer noch genug
für sie übrig bleiben, was ihr auf wissenschaftlichem Wege erreich-
bar ist. Nur daß die Behandlung und Untersuchung des Reintranszendenten
, d. h. desjenigen, was in keiner Weise mehr mit dem
Lebenden zusammenhängt, oder was uns, anders gesprochen, aus
dem Transzendenten selbst selbständig entgegentritt, in keiner
Weise mehr für die irdische Forschung erreichbar ist. Mag man
auch hi«*r noch imstande sein, das Problem auf zwei Möglichkeiten
zurück?uführen, außer denen es keine anderen mehr gibt,
so zeigt doch oft gerade diese Fragestellung, daß eine Lösung in
diesem Falle nicht mehr möglich ist. Hier ist ein Verzicht besser
als eine lange Gegenüberstellung der Gründe und Gegengründe, —
auf einer Verzichtleistung in vielen Dingen besteht ja gerade die
Eigentümlichkeit der Wissenschaften gegenüber den Kombinationen
eines Unwissenden, der glaubt, mit Worten auch das Letzte beweisen
zu können. Hierher gehört z. B. das Problem der eingebrannten
Hand, wenngleich sich vielleicht noch mit Sicherheit wird festes
) Auch die Frage, was die ektoplastischen Produkte in dem
neuen Werke SchrencK-Notzing's darstellen, läßt-sich nur dadurch
lösen, daß einerseits die Möglichkeit einer solchen Emanation von
seilen des Mediums nachgewiesen und andererseits durch den hyp
notischen Befehl der Beweis erbracht wird, daß diese Produkte auch
wirklich eine Emanation aus dem menschlichen Körper darstellen.
Zum Beweise dafür, daß auch die von der Sinneswelt in eine uns
unsichtbare Welt hineinreichende Erfahrung in den exakten Wissenschaften
nichts Neues ist, mag an die Astronomie des Unsichtbaren
erinnert werden, in der z. B. die Helligkeit eines an sich unsichtbaren
Sternes aus der Wirkung berechnet wird, die er auf die Komponente
eines anderen Sternes ausübt.
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