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Kurze Notizen.
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Suche nach ihrem Truppenteile, den sie verloren zu haben glauben.
So hat auch der erste der von ihm berichteten Traumtypen einen derartigen
Inhalt. Bourget hat ihn auf der Strecke einer Meile bei
30 Leuten, darunter 7 Offizieren, in einer Nacht feststellen können.
Der wesentliche Inhalt ist der, daß der Träumende m einem
Schützengraben entlang läuft, allein, umgeben von Massen von
Leichen, deren erkaltete Wunden er zu sehen gezwungen ist. Von
Zeit zu Zeit ist der Graben von den Leichen verstopft oder ist eine
Blutlache an der Grabensohle, die überschritten werden muß. Der
Träumende glaubt genau zu wissen, daß er sich im Kreise bewegt.
Er wendet sich und sucht zurückzugehen, ohne einen Ausweg zu
finden. Die Kräfte scheinen zu schwinden. Schließlich wirft er
sich zur Seite und versucht die Grabenränder zu erklimmen. Die
Erde gibt nach, er stürzt zurück. Plötzlich richten sich die Gefallenen
, auf die Ellbogen gestützt, auf und sehen ihn an. Er hört
einen furchtbaren Lärm über sich, ein Heulen, einen Krach. Er
wacht auf: eine Granate hat eingeschlagen. Und sofort fällt er,
benommen, wieder zurück in den furchtbaren Traum, allein, verlassen
durch die verödeten, nur von Leichen bevölkerten Gräben zu
irren, ohne Rettung, ohne Entrinnen. — Ein zweiter Traum ist im
selben Schützengraben während dreier Nächte achtmal vongekommen
. Er wurde nach Gefechten um befestigte Punkte beobachtet
. Die Leute sehen sich bei der Verteidigung eines Dorfes
weithin über die Dächer verteilt, während vor ihnen die feindlichen
Linien unter dem furchtbaren Feuer zusammenbrechen. Plötzlich
verschwinden die Sturmkolonnen, an ihre Stelle tritt das Gespenst
einer deutschen schweren Haubitze. Von den Häusern aus sieht
man in einem weißlichen Dunst halbverborgen die Gestalten der
Kanoniere an dem Geschütze hantieren. Sein Lauf richtet sich
langsam in die Höhe. Immer quälender wird die Erwartung der
kommenden Vernichtung. Drüben leuchtet ein Feuerschein auf.
Der Schuß ist gefallen. Die Mauern prasseln zusammen, und regimenterweise
stürzt die Besatzung in die Tiefe, sich gegenseitig mit
ihren Waffen verletzend. Unendlich scheint der Fall. Immer
tiefer und tiefer in einen dunklen Schacht glaubt man zu stürzen,
bis man plötzlich erwacht. Ein deutscher Gefa?igener hat gemeinsam
mit den anderen diesen Traum gehabt. — Ein dritter Traum ist
sehr häufig; festgestellt hat Bourget in einer Woche 30 Fälle; man
liegt ausgestreckt in einem bequemen Bette und hört von draußen
den Lärm der Schlacht herein* önen. Plötzlich ist man umgeben
von Wolken von Staub und fallenden Gesteinsbrocken. Eine
Granate hat eingeschlagen und liegt, ohne krepiert zu sein, im
Bett. Es gilt, sich zu retten. Man schwingt sich auf, streckt die
Füße aus dem Bett, aber von diesem Augenblick an ist man nicht
mehr fähig, sich zu rühren. Bewegungslos, erstarrt, muß man das
Platzen des Geschosses und sicheren Tod erwarten. Schließlich er-
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