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280 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1915.)
Für frisches Wasser sorgte andauernd mein freundlicher Gastwirt,
ein mit einer deutschen Dame verheirateter Engländer. Eine unerfreuliche
Beigabe des dortigen Aufenthaltes war jedoch die
Moskitoplage.
Mein Reiseführer besagte, daß zum Besuche gewisser kaiserlicher
Schlösser in Japan ein Erlaubnisschein erforderlich sei, den
die betreffende Botschaft beim Ministerium des Kaiserlichen Hauses
vermittle. Mir solchen zu verschaffen, war mithin einer meiner
ersten Schritte in Tokyo. Ein Rikschamann fuhr mich vor ein
stattliches Gebäude, welches er mir als das deutsche Botschaftshotel
bezeichnete. Zur Vorsicht fragte ich aber noch den Portier,
ob ich hier recht in der deutschen Botschaft sei, was ich mir auf
Japanisch von dem Hotelmanager hatte aufschreiben lassen. Der
Türhüter nickte freundlich lächelnd, nahm meine Karte und führte
mich in einen durch Binsenmatten geschlossenen Warteraum.
Nach 'ängerer Zeit erschien ein elegant europäisch gekleideter
Herr und fragte mich auf französisch nach meinem Anliegen. Ich
trug ihn dasselbe vor, wies meine Legitimation vor und erhielt den
Bescheid, daß man sich für mich bemühen wolle. Als nach
einigen Tagen hierauf nichts erfolgt war, sprach ich nochmal?«
vor. Diesmal empfing mich ein nur englisch sprechender Herr.
Ich mußte meinen Wunsch nochmals aussprechen und wurde dahin
beschieden, daß ich mich an das Ministerium des Kaiserlichen
Hauses zu wenden habe. So klug war ich aber schon zuvor.
Ich äußerte mein Befremden, hier statt deutsch vorgestern fran-
zösiscr und heute englisch angeredet zu werden, und auch
darüber, daß man die betreffenden Schritte nicht für mich tun
wolle. Der Herr zuckte die Achseln, und ich war entlassen. Im
Hotel angekommen, machte ich nun eine Eingabe an das Ministerium
des Kaiserlichen Hauses dreisprachig und schickte es ab.
Tags drauf sagte mir der Manager, als ich eben von einem Ausgang
zurückkehrte, die deutsche Botschaft habe inzwischen tele-
phoniert, ich möchte heute doch dort wieder vorsprechen. Bei
diesem dritten Besuche nun empfängt mich ein diesmal deutschsprechender
karmoisinvergnügter2) Herr in großer japanischer Uniform
. Ich stutze. „Ich kenne Ihr Anliegen. Herr Doktor**, sagte
er. „Das Ministerium erteilt Ihnen die erwünschte Erlaubnis;
pro forma aber muß diese von der deutschen Botschaft beantragt
werden.'* „Verzeihen Sie**, entgegnete ich, „nach allem mußte
ich glauben, mich hier in der deutschen Botschaft zu befinden,
daß dies aber nicht der Fall ist, sehe ich.** „Allerdings**, sagte
er, „Sie sind hier im Kriegsministerium. Ich bin der Adjutant des
Kriegsministers. Die deutsche Botschaft liegt gerade gegenüber.**
2) Scherzhafte Bezeichnung für die Herren vom Generalstab
weeen der karmoisinroten Streifen am Beinkleid.
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