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314 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1915.)
zösischen Kirche, zugleich Professor und Lehrer des Erbprinzen
Karl Eugen und seiner Brüder. Aus dem Schutte seines Hauses
wurde eine französische Bibel gerettet, gedruckt zu Genf im Jahre
1685, die später in den Besitz des M. Johann Ernst Friedrich
Bernhard gelangte, der von 1781-1792 die Würde eines Spezial-
Superintendenten und Predigers an der Hospitalkirche bekleidete.
Jetzt ist dieses Buch, das am Rande stark vom Feuer gelitten und
seine Einbanddecke dabei verloren hat, im Besitz der Königl.
öffentlichen Bibliothek und in einem hölzernen Kästchen von
buchähnlichem Aussehen, an dem der Rücken den Schiebedeckel
bildet, wohl verwahrt, unter der Bezeich nung: „Brandbibel."
Beigegeben ist ein Folioblatt, auf dem vom Hospitalprediger
Bernhard in kräftigen Zügen die Geschichte des aus dem Brande
geretteten Buches geschrieben steht. Dieses Schriftstück trägt das
Datum 11. April 1781, und Bernhard erzählt darin kurz die Ursache
und den Verlauf jenes Brandunglückes, und kommt dann
auf die Rettung der Bibel zu sprechen. Er will darin nicht gerade
ein spezielles Wunder erblicken, da ja in Glaubensverfolgungen
und unter dem Druck des Glaubenszwanges schon Tausende von
Bibeln verbrannt worden seien. Befindet sich doch in seiner
eigenen Bibliothek ein neugriechisches Testament, das einzige
Exemplar, welches von einer ganzen Auflage übrig geblieben sei
aus dem Feuer, worin der griechische Patriarch von Konstantinopel
Hunderte von Neuen Testamenten habe verbrennen lassen. Aber
wahrhaft wunderbar sei folgender Vorgang, den er vor dem
Hirschgassenbrand erlebt habe. Acht Tage zuvor, in einer Sonn-
tagsnacht, habe er, damals zweiter Stiftsdiakonus, in der oberen
Stube der „Lorcher Kelter" (im Bandgäßlein, das in den Markt
ausmündet) gewohnt und fest geschlafen. Um Mitternacht sei er
plötzlich aufgewacht von einer fürchterlichen Stimme, die dreimal
nacheinander „Feuerio** gerufen habe. Er sei aufgestanden und
habe zum Fenster hinausgesehen, aber alles stille gefunden. Nun
habe er seinen Stubennachbar, den Hofsporer Proschaska, Feuer
schlagen hören und nach dem Grunde gefragt, worauf ihm die
Antwort geworden sei, weil er dreimal habe Feuer rufen hören.
Acht Tage nachher vernahm Bernhard „beinahe die nämliche
Stimme", und „da war es ernst!'* ^)
Nach 20 Jahren noch, da er das niederschrieb, ruft er ergriffen
aus: .»Gott bewahre unsere Stadt und ihren großen Beschützer
und Herrn** (den Herzog von Würtemberg ), besonders
seinen ansehnlichen Bücherschatz, vor Feuer und anderem Un-
!) Anm. des Verf.. Obiger Bericht hat m. E. keinen absoluten
, sondern nur relativen Wert; die betreffende Stimme könnte
ja auch ganz natürlichen Ursprungs gewesen sein, d. h. das Ganze
könnte auf reinem Zufall beruht haben.
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