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322 Psychische Studien. XLI1. Jahrgang. 8, Heft. (August 1915)
Seriziat's, Geld zu verlangen und daß er in Saint-Fortunat ge-
schlafen hatte; ferner daß Puissant eine Art Mantel mit Kapuze
aus schwarzem Kautschuk besaß, so wie ihn die Zeugen be-
schrieben hatten; auch daß er einen Revolver hatte, dessen
Kaliber zu dem Geschoß stimmte, das den Händler getötet hatte.
Die Stiefel Puissant's paßten zu den gefundenen Fußspuren;
Puissant war gegen 3 Uhr nachts zu seiner Frau zurückgekehrt,
von welcher er seit Monaten getrennt lebte, und er hatte ihr Geld
gegeben, was er nie in seinem Leben getan hatte. Claude
Puissant wurde verhaftet und konnte sich über seinen Verbleib in
den verhängnisvollen Stunden nicht ausweisen. Alles scheint
also die Schuld des Koches zu beweisen und die von der Seherin
gegebene Fährte scheint richtig zu sein.
2. In dem Städtchen Castel di Sangro, das tief verschneit in
den Abruzzen liegt, ereignete sich eine Geschichte, welche die
Lokalbehörden und die gesamte Bevölkerung in Aufregung versetzte
. Pascal Cocozza, ein braver Mann, Feldhüter des Barons
Raph. Corrado, sah in der Nacht des 3. März 1905 im Traume
seinen schon vor zehn Jahren verstorbenen Vater, der ihm und
seinen Brüdern Vorwürfe machte, daß sie ihn vergessen hätten
und zugeben, daß seine armen Gebeine, von den Totengräbern
ausgegiaben und hinler den Turm des Kirchhofes in den Schnee
geworfen, eine Beute der Wölfe würden! Cocozza erzählte den
Traum am Morgen seiner Schwester, Zu seiner größten Überraschung
erklärte ihm dieselbe, daß sie genau den
gleichen Traum gehabt hätte. Nun begab sich der Feldhüter
auf den Weg zu dem auf einer Anhöhe vor dem Städtchen
liegenden Friedhof. Dort fand er hinter dem Turme menschliche
Gebeine im Schnee liegen und auch deutlich die Fährte
von Wölfen. Selbstredend berichtete Cocozza die Sache
dem Bürgermeister und die Totengräber wurden verhaftet. Diese
sagten zu ihrer Entschuldigung, daß, da die für Übertragung der
Gräberreste vorgeschriebene Zeit von zehn Jahren abgelaufen war,
sie mit dem Transport von Überresten in das Beinhaus beschäftigt
waren, aber bei Einbruch der Nacht von der Kälte und dem
Schnee überrascht wurden und einen Teil der Knochen liegen
lassen mußten. Sie bestritten, daß diese Knochen von dem
Vater des Klägers stammten; es wurde aber festgestellt, daß es
sich tatsächlich um die Überreste des vor zehn Jahren verstorbenen
Vaters des Feldhüters handelte.
Eine Erklärung des interessanten Falles ist sehr schwierig.
Man kann sagen, daß eine telepathische Wirkung der Totengräber
auf die beiden Perzipienten (Cocozza und seine
Schwester) möglich gewesen sei, allein die Totengräber wußten
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