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Freudenberg: Streiflichter auf japanischen Kultus.
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Erschütterung des Bebens und ließ ihn erzittern. Von Besorgnis
und Angst getrieben, telegraphierte er nach Hause um Nachricht
bittend. Da keine Antwort kam, begab sich Dr. Canale nach
Pescina, wo ihn eine schreckliche Lösung des Rätsels erwartete.
Sein furchtbarer Traum hatte sich bewahrheitet!
Mit Hilfe einiger Männer begann er sofort nachzuforschen
und fand in kurzem den Leichnam seiner Frau und jenen des
jüngsten Kindes. Nach einigen Stunden kam das ältere Kind ans
Tageslicht — der Vater war nicht dabei anwesend. Kaum gerettet
, schrie das Kind, die Hände zusammenschlagend: „Im
Augenblick kommt mein Vater; er hat diesen Morgen telegraphiert
* \
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Vater telegraphiert
hatte, als der Sohn bereits unter den Trümmern verschüttet lag
und daß das Telegiamm niemals angekommen war, so erscheint
dieses zweite (telepathische) Phänomen der schrecklichen Katastrophe
nicht weniger merkwürdig, als das erste. Die unglaubliche
Geschichte hat der schwergeprüfte Vater dem Bericht-
erstatter selbst erzählt. Übrigens kommen noch zwei Punkte in
Betracht, die festgestellt sind: die Tatsache, daß Dr. Canale
seinen Traum dem Dienei eine Stunde vor Eintritt des Erdbebens
erzählt hat, und ferner das Zeugnis der Frau, welche die Worte
des Knaben bezüglich des Telegrammes gehört hatte.
Streiflichter auf japanischen Kultus
und japanische Kultur.
Von Dr. med. Franz Freudenberg, z. Zt. Cassel.
(Fortsetzung von 8. 282.)
Der Shibapark weist sechs Tempel mit den Gräbern von sechs
Shogunen aus der Tokugawadynastie auf. gestorben zwischen den
Jahren 1632—1866. In ihnen bewundem wir die japanische
Kunst in ihrer höchsten Blüte. Was da in künstlerischem Schnitzwerk
, in Seidenstickerei und Seidenmalerei geleistet ist, muß unsere
rückhaltlose Anerkennung erwecken. Zumal die Wirkung der
Lackanwendung ist eine ganz überraschende. Manche Hallen
sind überwiegend mit Goldlack ausgestattet, so daß man ganz geblendet
wird. Da man aber zwischen den einzelnen Gebäuden
Höfe durchschreiten muß, so stört das häufige Schuhaus- und anziehen
, sowie das vielfache Trinkgeldheischen der Tempelwärter.
Auch wird man von den offiziellen Führern zu rasch durch die
ganze Anlage geführt, als daß man zu einem ruhigen Genuß und
zu einem befriedigenden Erfassen all der geschauten Kostbarkeiten
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