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Freimark: Die magischen Operationen Cagliostros. 333
die für manche noch immer Zweifel walten. Die schweigende
Ablehnung der irreführenden Frage im ersteren Falle lag für
einen Menschenkenner, wie es Cagliostro war, sehr nahe, und es
konnte ihm auch nicht schwer fallen, sein Medium in dieser Hinsicht
zu beeinflussen.
So bleibt von allen authentischen Berichten, die von Mitteilungen
Kunde geben, die Cagliostro oder seine Mittelspersonen
nir auf hellseherische Weise zukommen konnten, nur übrig, was
Elise von der Recke als erste Leistung Cagliostros in Mitau anfühlt
. Denn auch die berühmte Prophezeiung, daß in Frankreich
die „Lettres de cachet" abgeschafft werden würden und daß
die Stelle der Bastille eine öffentliche Promenade werden würde,
ist keine Prophezeiung. Cagliostro machte diese Bemerkung
in seinem Briefe an d'Espremeuil, den Pariser Parlamentsrat.
Dieser Brief wurde spater als „Brief an das französische Volk"
veiöffentlicht, und die bewußte Stelle ist lediglich eine Erklärung
Cagliostros auf eine Frage seiner Pariser Freunde, ob er nicht
einst wieder nach Paris zurückkehren würde. Die Voraussetzungen,
unter denen er einen derartigen Gedanken zu erwägen verspricht,
sind die Abschaffung der „Lettres de cachet" und die Verwandlung
der Bastille in einen öffentlichen Platz. Als die späteren
Ereignisse diese* Voraussetzungen verwirklichten, standen seine
freimaurerischen Gesinnungsgenossen nicht an, diese Stellen aus
dem Briefe, den er selber als „mit mehr denn republikanischem
Freimut geschrieben*' bezeichnete, gleich einer Prophezeiung zu
interpretieren. Er selber mag sich diese Auffassung, die seiner
hohen Meinung von sich schmeichelte, dann wohl zu eigen gemacht
haben. Der Wortlaut des Briefes aber belehre, daß diese
Meinung eine nachträgliche Konstruktion ist. — So kommen wir
zu dem Fall, den Elise von der Recke erzählt. Sie selber war bei
der betreffenden Operation nicht zugegen, sondern gibt sie nur
nach den Darstellungen ihres Vaters und ihres Onkels. Der kleine
von Medem, ein jüngerer Sohn ihres Onkels, der während des
ganzen Mitauer Aufenthaltes von Cagliostro ihm als Medium
diente, war es auch in diesem ersten Falle. Cagliostro rieb dem
Kinde unter allerlei Beschwörungen Stirn und Hand mit Öl ein
und ließ es dann in die fettglänzende Hand blicken. Ein bekanntes
Mittel, das innere Schauen anzuregen« Herr von Medem,
befragt, was der Kleine sehen solle, bittet, um das Kind nicht
durch Ungewohntes zu erschrecken, es seine Mutter und seine
Schwester sehen zu lassen. Cagliostro gibt den entsprechenden
Befehl, und der Kleine erblickt die Mutter. Eine weitere Aufforderung
: er sieht die Schwester. Nun folgt die Frage: „Was tut
sie ?" Das Kind antwortet: „Sie greift nach dem Herzen", und gleich
darauf: „Sie umarmt meinen Bruder, der von der Reise zurückgekommen
ist". Es erwies sich bei Nachforschung, daß in der
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