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Philalethes: Ein klassisches Muster metapsych. Phänomene 343
nahmen. Ich hatte nun einen sicheren Leitfaden und konnte der
Sache ruhiger zusehen . . .
Die Anwendung geweihter Gegenstände, der Reliquien und
des Weihwassers waren nicht immer von Erfolg; einige Augenblicke
nachher waren die Schreckbilder wieder da: Leichen, Gerippe
, Totenköpfe; eine Menge Mäuse, die das Zimmer anfüllten,
wilde Bestien, die sie zu verschlingen drohten, nötigten sie, die
Nacht auf einem Stuhle zuzubringen. Wollte sie den Namen
Jesus anrufen, so fühlte sie sich am Halse gepackt; sie wurde fast
erwürgt und litt einen wahren Todeskampf ... Da die 0 b -
Session nicht zu verkennen war, so nahm ich zweimal
Privatexorzismus mit ihr vor. Die äußeren Erscheinungen
blieben zwar mehrere Tage zurück, aber die inneren Versuchungen
nahmen um so mehr zu, besonders Mangel an Vertrauen, Ver-
zweifelung und Trieb zum Selbstmord . . . Oft sah sie in den
trüben Stunden der Versuchung Gift, Messer oder Strang vor sich
auf dem Tische liegen, die dann auch wieder verschwanden. Einmal
hatte sie, vom Satan gezwungen, das Gift wirklich genommen,
mußte sich aber sofort erbrechen . . . Ein ander Mal ward sie
auf übernatürlichem Wege daran gehindert. Einmal war sie drei
Tage lang gänzhch verschwunden, wir konnten sie nirgends entdecken
. Wo sie gewesen, weiß ich heute noch nicht." (Wahrscheinlich
die Reise nach Eberhardsklausen, Orig. 139, 157, Bar-
thel 231.) — Auch Schwester Johanna Schwarz, die Zweitälteste
Genossin der Dienerin Gottes, führt in ihrem Bericht vom Jahre
1876 mehrere Fälle an, welche bezeugen, wie sehr Satan Mutter
Klara gequält und wiederholt gedrängt hat, das Haus zu verlassen
. . . Ein andermal beteten wir mit ausgespannten Armen,
den Rosenkranz in der Hand. Plötzlich zerrte eine unsichtbare
Kraft den Rosenkranz der Mutter so stark hin und her, daß sie
sich nur mühsam aufrecht halten konnte. Bald darauf entstand
ein großes Getöse im Schlafzimmer. Wir fanden dort den großen
Wasserkrug ins Zimmer ausgegossen, eine Dornenkrone und ein
Kreuz ohne Christusbild zerbrochen im Wasser liegen. Kein
Fremder war hineingekommen; die Türe war über Tag geschlossen
." — Auch erinnerte sich Schwester Johanna, zu drei
verschiedenen Malen entsetzliches Heulen im Hause vernommen
zu haben, obschon weder ein Tier noch ein fremder Mensch darin
zu finden war. Desgleichen war sie Zeuge der ergreifenden Szene,
als die Mutter, dem Ersticken nahe, unter dem Strohsacke sich versteckt
hatte. Oft vernahm sie Gepolter im Zimmer der Mutter,
so als hämmere oder schlage jemand unbarmherzig auf sie los.
Als eines Nachts wiederum ein solcher Lärm entstanden war, faid
sie die Mutter des Morgens mit einem so zerkratzten Gesicht, als
hätte sie sich mit jemanden gestritten. Ein anderes Mal war die
hartbedrängte Mutter wieder stark versucht die Flucht zu er-
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