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344 Psychische Studien. XLIL Jahrgang. 8. Heft, iAugust 19 5.)
greifen. Als Schwester Johanna sie zurückhallen wollte, ward
der Teufel plötzlich so erbost, daß er die Mutter zwang, die
Schwester zu mißhandeln. Öfters kam es doch vor, daß die
Leidensbraut in Stunden schwärzester Finsternis und satanischer
Obsession gezwungen wurde, etwas zu schreiben oder zu sagen,
was sie in ihrem Inneren durchaus mißbilligte und aus sich nie
getan hätte.
Barthel hatte als langjähriger Beichtvater der Dienerin
Gottes Gelegenheit, mannigfaltige Wirkungen dämonischer
Obsession bei ihr zu bemerken. „Sehr oft mußte ich Satans
Macht vorerst brechen, ehe ich ihr das hl. Bußsakrament spenden
konnte. Einmal mußte die ,Kreuzesbraat* mir ein großes
Schlächtermesser abgeben, welches Satan ihr auf dem Weg zur
Kirche beigesteckt hatte, damit sie, anstatt zur hl. Beichte zu
gehen, ihrem so viel geplagten Leben gewaltsam ein Ende mache."
„Hätte ich nur mit einfachen bösen Geistern zu tun, dann wäre
es noch auszuhalten, aber mit dem obersten der Teufel den Kampf
aufnehmen zu müssen, da vergeht einem Hören und Sehen, Verstand
und Gedächtnis*', äußerte sie.
Infolge seiner schlauen Einwirkung hatte Satan es zustande
gebracht, daß sie in einem Briefe an ihren Seelenführer durch ein
Randschreiben die Bitte stellte, das Vaterland verlassen zu dürfen,
damit ihre Mitschwestern vor dem Strafgerichte Gotte* bewahrt
blieben, welches über sie selbst hereinbrechen werde. .„Von allen
Seiten durch die verzweifeltsten Versuchungen und Bedrängnisse
umstürmt, schreibt sie, geriet ich in ein so furchtbares Gedränge,
daß ich in der Frühe des 5. Dezember wie eine Verzweifelte dem
Bahnhof zueilte,** In Trier angelangt, erreichte sie nach langem
Suchen den Dom und war so glücklich, dort um 111 ^ Uhr noch
Gelegenheit zu finden, mit anderen Personen die hl. Kommunion
zu empfangen. Jetzt riß Satan sie gewaltsam mit sich fort, trug
sie durch die Lüfte über Land und Meer, zwang sie in Paris und
Berlin die Stätten eines entsetzlichen Teufelskultus voll der Lasterwerke
anzusehen, und die schrecklichen Gotteslästerungen mit anzuhören
. Bis zum Abend des 6. Dezember wurde sie in ganz unerhörter
Weise durch Satans Bosheit gequält und gefoltert. „Sobald
ich vor die Kirchtüre trat, berichtet sie, ergriffen mich die
bösen Geister und flogen mit mir eine gar lange Strecke, bis sie zu
einem Urwalde kamen, der mir undurchdringlich zu sein schien.
Doch die höllischen Geister rannten mit einem solchen Ungestüm
mit mir hinein, daß ich jeden Augenblick glaubte, vor Angst und
Schrecken zu sterben. Hier begannen sie nun erst recht, mich in
der fürchterlichsten Weise zu quälen und zu martern und zwar
bis abends 5 Uhr.
Als der himmlische Zug vor der verschlossenen Kirche anlangte
, war es bereits Nacht. Der hl. Joseph hat mein Reisegeld
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