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Philalethes: Ein klassisches Muster metapsych. Phänomene 345
vermehrt, deshalb brauchen Sie in dieser Beziehung keine Sorge
lür mich zu haben."
Wollte sie den Namen Jesus anrufen, so fühlte sie sich am
Halse gepackt, sie wurde fast erwürgt und litt einen wahren Todeskampf
. Ich unterließ nun die Exorzismen, aus dem Grunde, weil
diese nur in der Kirche statt haben konnten, und ich um jeden
Preis das Kundgeben ihres Zustandes aus Klugheit vermeiden
wollte. Fräulein Moes sollte Jahre lang diese Prüfung zu bestehen
haben . . . Nachdem sie mehrere Jahre in diesem traurigen
Zustande verlebt hatte, traten Versuchungen gegen die hl.
Reinheit an sie heran. In dieser Hinsicht fürchtete ich nicht für
sie; dennoch war ich in Besorgnis, der böse Feind wolle sie infolgedessen
zum Selbstmord verleilen.
Dieser Kampf war am hartnäckigsten und dauerte am längsten
. Er steigerte sich bisweilen so, daß die Seele sich gleichsam in
ihr Innerstes zurückzog und dem Teufel das Feld überließ. Ihre
Seelenvermögen schienen dann ganz in der Gewalt des Feindes zu
sein; anders lassen sich gewisse Phänomene nicht erklären. Jeden
Advent und jede Fastenzeit ohne Ausnahme war sie aufs heftigste
damit geplagt. Auch andere Zeugen des Teufelsspuks gab es.
Fräulein Engels, Anna's treueste Freundin, erschrak
nicht wenig, als einst ein dicker Stein ihr auf den Fuß fiel und
fragte ängstlich, was das doch sei? Als jedoch die Sache ärger
wurde, forderte Fräulein Anna sie zum Gebet auf. Nach einiger
Zeit hörte der Spuk mit einem solchen Gepolter auf, als sei ein
Korb oder ein Schiebkarren voll Steine ausgeschüttet worden.
Arn nächsten Morgen sahen sie einen Haufen Steine vor dem
Bett liegen. Dasselbe Ereignis wiederholte sich mehrere Male.
Wiederholt auch warf der böse Feind ihr schmutziges Wasser
mit solcher Kraft an den Kopf, daß das Gefäß zerbrach und das
Bett durchnäßt wurde: es blieb ihr nichts übrig, als die Nacht auf
einem Stuhl zuzubringen. Öfter auch sah sie die Arme Annas
mit Brandwunden bedeckt und ihr Gesicht dick geschwollen und
verwundet. (Orig. 146.147, auch 139,155, Barthel S. 228.)
„Eines Abends, so berichtet 1876 Fräulein Engels, vernahm
ich ein gewaltiges Poltern in unserem Schlafzimmer. Ich eilte hin,
um nach der lieben Mutter zu sehen, denn sie war leidend und
lag zu Bett. Nachdem ich mit großer Mühe die Türe geöffnet,
fand ich das ganze Zimmer verwüstet. Alles Bettzeug aus unseren
fünf Betten lag auf dem Boden kunterbunt durcheinander, dazwischen
ein Kruzifix, das neben dem Bett der Mutter gehangen
hatte, ganz zerbrochen, eine Dornenkrone und ein Rosenkranz
unter dem Bettzeug versteckt."
Sehr oft hörte man in der Nacht ein großes Gepolter, ein
Schleppen, Schlagen und Krachen im Hause, so daß an kein
Schlafen zu denken war. Der Teufel schlug fortwährend mit
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