Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
42. Jahrgang.1915
Seite: 360
(PDF, 159 MB)
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360 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 8. Heft. (August 1915.)

Der Vorwurf des Referenten, aus der gegenwärtigen Mächte-
konstellation gegensätzliche Kulturen konstruiert zu haben, trifft
St. mit Recht. Es ist mir bei bestem Willen nicht möglich, wie
St. eine Wesensverschiedenheit zwischen mitteleuropäischer und
west- und osteuropäischer Kultur wahrzunehmen. Meines Er-
achtens ist die europäische Kultur ihrem Wesen nach vollkommen
gleich: es ist der „sacro egoismo",der sowohl Staaten wie Individuen
in all ihrem Tun und Lassen bestimmt und ihrer gesamten
Kultur das charakteristische Gepräge verleiht. Der moderne
Mensch kennt kein anderes Ideal als schrankenlosen Sinnesgenuß
und in der Erwerbung der Mittel hierzu keine moralischen und
religiösen Bedenken. Dieser moderne Sensualismus unterscheidet
sich von dem früheren dadurch, daß bei ihm nicht mehr der altn-
istische Grundsatz „leben und leben lassen", sondern der schroff
egoistische „jeder ist sich selbst der Nächste" gilt.

Auch das intellektuelle Leben hat sich in dieser Richtung
entwickelt und geht in diesem Streben auf. Die wilde Gier des
europ. iischen Kulturmenschen nach dem Besitze irdischer Güter
würde in einen raubtierartigen Kampf aller gegen alle ausarten,
wären die Individuen nicht in eiserne Staatsformen gezwängt.
Der auf diese Weise gebändigte Konflikt der Individualinteressen
wird zu einem Konflikt der Staatsinteressen, welcher zuletzt nach
dem Grundsatz der Barbarei „Gewalt geht vor Recht*' ausgetragen
wird. Sowohl Individuen wie Staaten handeln nach denselben
Grundsätzen: „Geld ist Macht" und „Macht geht vor Recht".
Was unter der Benennung Reichtum erstrebt wird, sagt John
Ruskin"), ist im Wesentlichen Macht über die Menschen. Im
einfachsten Sinne nämlich die Macht, die Arbeit des Dienstboten,
Gewerbetreibenden zu eigenem Vorteil zu verwerten; und in
weiterem Sinne die Machtbefugnis, große Volksmassen zu bestimmten
Zwecken, guten, schädlichen oder gleichgültigen zu verwenden
, je nach dem Willen des Reichen. Die Kunst, reich zu
werden, bedeutet im gewöhnlichen Sinne nicht unbedingt immer
die Kunst der eigenen Geldanhäufung, sondern es muß auch die
Kunst darunter vei standen werden, zu bewerkstelligen, daß unsere
Mitmenschen weniger haben als wir. Genau ausgedrückt ist es:
„die Kunst, das höchste Maß von Ungleichheit zu unseren
Gunsten zu schaffen". — Diese Ungleichheit zu schaffen und zu
erhalten verstand man schon im Altertum. * Ein anschauliches
Bild von dein zwischen der reichbegüterten herrschenden und den
beherrschten, unbemittelten Klassen des altrömischen Volkes gibt
uns Shakespeare in einem Zwiegespräch zwischen Menenius
Agrippa und dem ersten Bürger:

Menenius: „Ich sag' Euch Freunde! liebend sorgt für Euch
Der Adel. Was die jetzige Hungersnot

») „Diesem Letzten11, Verlag Eugen Diederichs, Leipzig 1902.


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