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Phüalethes: Ein klassisches Muster metapsych. Phänomene 389
krisen der historisch-mystischen Passionsbilder erdulden. Freilich
sind diese Wundmale der Stigmata nicht so öffenlich von
Hunderten oder Tausenden von Zeugen gesehen und untersucht
worden, wie es bei der zur gleichen Zeit lebenden Louise Lateau
in Bois d'Haine in Belgien der Fall war. Das Buch von Barthel
führt folgende Zeugen an, die für die Stigmata sind:
1. Der Redemptoristenpater Romi in Luxemburg, der ihr
erster bedeutender Seelenführer gewesen, schrieb in einem Gutachten
von 1869 vom Hörensagen der Stigmatisierten und
ihrer intimsten Freundin Engels: „Ich selbst konnte natürlich
nichts davon konstatieren/* Nur einmal sah er mitten in ihrer
Hand einen runden, dunkeln, etwas unterlaufenen Fleck. Das
ist alles.
2. Zweiter Zeuge ist die eben erwähnte Engels, Schwester
Josepha genannt. Sie sah einmal morgens fünf Uhr, während
der Hören, die blutbefleckte Haube und das über die Stirne herabquellende
, frische Blut.
3. Zugleich mit ihr berichtet Schwester Johanna (Schwarz)
aus den Jahren 1876 und 1877, wie reichliches Blut aus dem
Haupt, den Händen und den Füßen floß; alle sahen die Schulterwunde
und nahmen noch andere außerordentliche Zustände wahr,
so z. B. Herzerweiterung, sowie heftige innere Stöße und Erschütterungen
. Sie waren dreimal zugegen, als die Dienerin
Gottes auf wunderbare^ Weise die heilige Kommunion
empfing und sahen sie wiederholt in schwebender
Stellung. Schwester Johanna berichtet weiter, wie sie etwas
Weißes vorn auf der Zunge liegen sah, wie die Wundmale rund
und gegen die Finger hin etwas länglich waren, das Loch, wie von
einem mittelmäßig dicken Nagel, als seien die Nägel von innen
in die Hände geschlagen worden. Die Male waren gerötet, von
Blut verklebt, ungefähr ein bis zwei Zentimeter groß. Ein andermal
sah sie die Mutter in Verzückung, Bald nachher begann
sie die Hände wie schmerzhaft hin und her zu winden und
zu krümmen. Ihr Atem schien gehemmt und ging in ein Röcheln
über; wohl ein halbe Stunde lag sie in diesem Zustande. Sie fiel
in diesem todesähnlichen Zustande einige Male hart mit dem Kopf
wider die Wand, so daß es draußen im Gang deutlich hörbar war.
4. Als dritter Zeuge tritt ihr Biograph und Beichtvater J. P.
Barthel selber auf, welcher aus den Jahren 1878 bis 1887 berichtet
, daß die Wundmale stets einen großen Eindruck auf ihn
gemacht, indes die meisten Schwestern während achtzehn
Jahren nichts bemerkten.
5. Als fünfter Zeuge wird eine ältere Schwester genannt.
Mitten auf ihrem ehrwürdigen Haupte, gleich als hätte man grausam
dahin geschlagen, war eine große blutrote Stelle in der Kopfhülle
, rings um das Haupt ein Kranz von großen, dunkeln, ganz
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