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Bänig: Jolanda Ein Gespräch über Religionspsychologie 397
behaupte ich, daß diese wissenschaftlichen Ergebnisse nicht bloß
bei den Philosophen, sondern ebenso bei den Ärzten, Historikern,
volkskundlichen Forschern und Theologen auf das lebhafteste
Interesse stoßen müßten, vorausgesetzt, daß ihr Gesichtskreis
über den engen Horizont ihrer Berufsgeschäfte hinausreicht und
ihr Bildungsbedürfnis auf ein wirkliches Begreifen der Welt und
des Menschen gerichtet ist.
Jolanda. Ein Gespräch über Religionspsychologie
auf okkulter Grundlage.*)
Von Hans Hänig, Zwickau i. S.
(Fortsetzung von S. 353.)
0. : Ich wollte nur noch ein Beispiel erwähnen, das sich
vor einigen Jahren in B. zugetragen hat und von gläubigen
Kreisen entschieden als Beweis ihres Glaubens ausgelegt wurde.
Ein Ingenieur, der auf Abwege geraten war und im Begriff war
seinem Leben ein Ende zu machen, erlebte an sich jenen Vorgang,
den wir Bekehrung nannten und wurde von da an ein völlig
anderer Mensch; er schreibt das natürlich einem göttlichen Eingreifen
zu.
T h. : Solche Fälle werden wohl auch jetzt noch vorkommen
.
O. : Und werden sich wahrscheinlich noch sehr oft ereignen
, ohne daß man deshalb an ein übersinnliches Eingreifen
zu denken braucht. Der Betreffende hat wohl viel von den
Heilswirkungen des christlichen Glaubens gehört, und es war in
ihm der Wunsch entstanden, ebenfalls auf diesem Wege wieder
auf festen Boden zu kommen, was ihm nur möglich war, wenn er
tatsächlich an jenen Erlösungstod glaubte. Vielleicht konnte er
sich auch jene Wirkungen an anderen nicht anders erklären, als
daß er darin talsächlich einen Beweis für die Richtigkeit jenes
Giaubensaktes sah. So wurde er genötigt, jenen Satz seinerseits
verstandesmäßig zu bejahen, was sich in einem geeigneten
Momente auf sein Gefühlsleben übertrug; daher jenes Erlebnis,
das er sich auf natürliche Weise nicht zu erklären vermochte.
T h. : Das ist alles ganz schön, aber einen Beweis hast Du
dafür noch nicht gebracht. Es handelt sich hier doch nur um
eine Möglichkeit, und eine Möglichkeit ist doch noch keine Beweisführung
!
O. : Das ist wohl richtig, aber ich wollte doch zunächst
eben nur feststellen, daß dieses Erleben eines bestimmten
Glaubenssatzes auch natürlich erklärt werden kann, ohne ein
übernatürliches Eingreifen anzunehmen. Und damit wäre doch
*) So mußte der Titel schon im vorigen Hefte lauten! —Red.
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