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Literaturbericht.
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in vorliegendem Schriftehen, das der Vorbote eines größeren Werkes
sein soll, die Gewißheit zu verschaffen, daß es eine Fortdauer des
im Entwickelungskampf vom Menschen errungenen persönlichen
Bewußtseins gibt. Da aber sehr viel Gebildete infolge der sog.
monistischen „Aufklärung" den Glauben an ein Weiterleben ver-.
loren haben und da über das Wesen des Todes und die hiermit
zusammenhängenden Fragen überall noch sehr viel Unkenntnis und
Unklarheit herrscht, hat er sich zunächst die Aufgabe gestellt, hier
aufklärend zu wirken und zu zeigen, daß sich ein solcher Glaube
durchaus wissenschaftlich begründen läßt. Die Schrift kann daher
dazu beitragen, das Vorurteil, das in vielen Kreisen gegenüber den
Problemen des Okkultismus besteht und auf dessen Unkenntnis
beruht, zu beseitigen, weshalb uns auch aus diesem Grunde eine
Weiterverbreitung derselben sehr wünschenswert erscheint.
Fritz Freimar.
Dr. Rudolf Steiner, Gedanken während der Zelt des Krieges. Für
Deutche und diejenigen, die nicht glauben sie hassen zu müssen.
Berlin 1915. Philosophisch-Anthroposophischer Verlag (Berlin W.,
Motzstraße 17). 2. Aufl. 55 8.
Die vom Verfasser gelehrte „Geisteswissenschaft* hat eine nicht
auf erdachten Begriffen, sondern auf wirklich zu erringenden Erlebnissen
der Menschenseele beruhende Erkennbarkeit der geistigen
Welt, ihrer Gedankenrichtungen und Willensbestrebungen zur Grundlage
. Das Geistig-Seelische soll sich — nicht durch falsche mystische
Phantastik, sondern dui^h gesundes verstärktes innerliches Erleben
gewisser, im gewöhnlichen Leben und in der Schulwissenschaft unbemerkter
, bezw. unberücksichtigter SeeJenfähigkeiten vom Physisch-
Leiblichen loslösen, wie sich durch die naturwissenschaftliche Methode
des Chemikers der Wasserstoff vom Wasser trennen läßt. Die
Seele weiß sich dann in der Tat „außerhalb des Zusammenhangs
mit dem Leibe", ausgerüstet mit dem, was Göthe „ Geistesaugen *
und „Geistesohren14 nennt. Mit solch feinsinnigem Organ hat Fichte
1808 in seinen „Beden an die deutsche Nation11 mitten in dem von
Franzosen besetzten Berlin die Schmach fremder Zwingherrschaft
aufs tiefste empfunden und von dem selbsteigenen Wollen geredet,
welches das deutsche Volk im Kampf mit seinen Feinden entwickeln
mußte, um seine, auch andere Anschauungen gewähren lassende
Eigenart zur Geltung zu bringen. So untersucht auch der geistvolle
Verf. die gegen das Deutschtum seit lange eiü gestellten „Impulse"
der anderen europäischen Kulturvölker, die Lebhaftigkeit des übersprudelnden
französischen Temperaments, den mystischen Glauben
in Bußlands Kriegswillen zur Weltherrschaft des Slaventums, die
stets für das Praktische zugespitzten Triebfedern der britischen
Krämerpolitik, und begründet als „österreichischer Deutscher", der
die drei ersten Jahrzehnte seines Lebens in Österreich verbrachte
und die andere, fast ebenso lange Zeit in Deutschland tätig war^
seine tiefsinnigen Gedanken über „das Fühlen Mitteleuropas," wobei
er sich besonders mit der Lebensarbeit des 1901 verstorbenen Kunstbetrachters
Hermann Grimm, des als Wortführer des „preußischen
Militarismus" viel angefeindeten Geschichtsschreibers des deutschen
Volkes, Heinrich von Treitschke, mit dem im Kriegsjahr 1870
von Renan, dem Verfasser eines „Lebens Jesu" und „der Apostel",
an David Friedrich Strauß, den Bahnbrecher kritischer Christus-
forschung, gerichteten Brief über die beiden Hauptströmungen der
politischen Meinung in Frankreich, mit dem umfassenden Lehrgebäude
Chomiakow's über die „Sendung des russischen Volkes",
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