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436 Ps>chische Studien. XLII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1915.)
bestanden haben. Der Leser wird an den bizarren Formen des Auftretens
derartiger Phänomene erkennen, daß diese Erscheinungen
sich nicht in bestimmte Formen zwängen und nach Regeln erklären
lassen. Ungemein häufig treten die Spukphänomene in
Stadt und Land allüberall auf, sie sind nicht, wie das zweite Gesicht
(Deuteroskopie), auf einzelne Gegenden beschränkt. Wenn
die Presse nicht öfter von den häufigen Poltergeistern redet, so
liegt die Ursache an den Chefredakteuren, die „monistisch", freidenkerisch
angehaucht sind und als aufgeklärte Geister nur auf
Edelwild birschen, die seltsamen Kobolde des Okkultismus, wie
eine Jagd auf Fledermäuse, Nachteulen und sonstiges Getier des
nächtlichen Dunkels, ansehen, mit dem sich zu beschäftigen unrühmlich
sei, da es einen Beigeschmack von Aberglauben habe
und unnützer Zeitvertreib sei, solche Geistesnahrung dem
modernen Gebildeten aufzutischen. Anders denken jedoch, wie wir
unten beweisen werden, viele der größten Koryphäen der Natur-
und Geisteswissenschaft, wie Dr. Caesar Lombroso aus Mailand,
Richet aus Paris, Myers aus England usw. Wie die Gabe des
Zweiten Gesichtes für den Seher keineswegs rühmlich, eine
Schattenseite, eine erbliche Belastung ist, so ist auch der Koboldsspuk
für ein Haus, eine Familie nichts weniger als ruhmvoll. Begreiflich
erscheint es also, daß die Betroffenen tunlichst die Verbreitung
verheimlichen, da die Hausbesitzer großen Schaden an
verwunschenen Gebäuden haben, die Familien selbst als erbbelastete
Medien verschrieen werden u. s. f.
Eine Lösung der Probleme und Rätsel dieser Spukphänomene,
die wir seit Weltanfang bei Ur-, Natur- und Kulturvölkern aller
Zungen und Zonen bis zur Gegenwart antreffen, ist bislang noch
unmöglich, wenngleich die empirischen Psychologen heute alles
durch elektrische Fluiden und Hypnotismus, Suggestion usw. erklären
wollen. —
Kobolde, Plage- und Quälgeister, auch Poltergeister, wurden
von den Ahnen die Verüber von Spuk genannt. Spuk sind aber seltsame
, unerklärliche Schreckäußerungen, Angst erregendes Klopfen,
Dauergeröll, Geschrei von Tieren und Menschen, Steinregen, unsichtbarer
Raub und Entführung von Kleidern und Gegenständen, Wirbeltanz
von Möbeln, Hausgeräten, zentnerschweren Fässern mit Platzveränderungen
. Die unseligen Poltergeister, schreibt schon
Paracelsus 1541, sind unsichtbar, so daß von ihnen nur etwa
Schall, Ton, Stimme, Klopfen, Geräusch, Pochen, Zischen, Pfeifen,
Heulen, Seufzen, Wehklagen, Fußgetrampel vernommen wird.
Furchtbare plagende Unholde sind es und die altfränkische Bezeichnung
Kob = (Verschlag) -old = (walt) stellt diese Hofscheuchen
als Inanimaten, als neckende, foppende, eigensinnig
tobende, bald polternde Dämonen und Quälgeister hin. Die
Schreckäußerungen durchlaufen alle Grade und Stufen von kin-
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