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458 Psychische Studien. XLII. Jahrg. 10. Helt. (Oktober 1915)
vorliegt und daß eine Begabung, wie er sie besitzt, von großem
praktischen Wert ist. Diese Treffsicherheit wurde übrigens auch
durch die paar Versuche bestätigt, die ich selbst anzustellen Gelegenheit
hatte, wobei ich Aub ein halbes Dutzend Briefe vorlegte
, deren Schreiber, resp. Schreiberinnen er mit verblüffender
Sicherheit zu charakterisieren vermochte.
Nun noch ein paar Worte über ein von Aub unter dem Titel:
„Ein psychisches Echo** herausgegebenes Schriftchen, das ebenfalls
Zeugnisse über seine Befähigung enthält. Hier fiel mir besonders
das Zeugnis von Isabella, Freifrau von
Ungern-Sternberg (Reval) auf. Diese Dame hat ein
Buch geschrieben: „Friedrich Nietzsche im Spiegel seiner Handschrift
**. Sie ist also selbst Graphologin. Über den Fall Aub
schreibt sie: „Bei Ludw. Aubs Geistesart handelt es sich um eine
bisher ganz unbekannte Art der Gedankenübertragung, um eine
Art geistiger Telegraphie. Die Besaitung seines Gehirns wetteifert
an Beweglichkeit mit einer Äolsharfe.**
Schön gesagt. Warum aber die genannte Dame von „geistiger
Telegraphie" redet und nicht einfach von Telepathie, ist mir unverständlich
. Denn das uns allen so vertraute Wort Telepathie
bezeichnet doch offenbar gerade das, was Aub in so hohem
Grad vermag; durch das Medium der Schrift oder Photographie
sich in Verbindung zu setzen mit dem fernen Schreiber und tief
hineinzublicken in dessen Seele. Ja es scheint sogar auch ohne
dieses Verbindungsmittel Aub zu gelingen, in der Psyche eines
Anwesenden sich Auskunft zu holen über einen Abwesenden.
Dies kann man Gedankenübertragung oder Telepathie oder auch
hellsinniges Einfühlen nennen, wie dies Letztere Aub tut.
HL Abteilang.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
„Wovon sich eure Schulweisheit nichts
träumen iäßt • . .
Aus dem Feldpostbrief eines Offiziers.*)
Feldlazarett bei . ...» 28. Juni 1915.
. . . Für die freundliche Zigarrensendung, die sich sehr zu
ihrem Vorteil von den berüchtigten Liebesgaben unterschied,
meinen herzlichen Dank! Sie werden es mir nicht verargen, daß
*) Mit Genehmigung des Herrn Verfassers entlehnt der 54.
Kriegsnummer des „Daheim" (Verlag Velhagen u. Klasing, Leipzig,
Hospitalstraße 27). — Ued.
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