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494 Psychische «Studien XLII. Jahrg. 11. Heft. (November 1915).
veränderter Stimme zu mir gewandt: „Soll ich Dir mal zeigen,
was Ihr da trinkt?" Ich sah gleich, daß eine fremde Kraft durch
sie sprach und bat um eine Probe. Ich holte ein leeres flaches
Gefäß und füllte ein anderes Glas mit Wein. Meine Frau nahm
ein halbes Glas Wein zu sich, behielt ihn einige Augenblicke in
ihrem Munde und ließ dann eine Flüssigkeit in das leere Gefäß,
die wie trübes Wasser aussah. Obenauf schwammen einige weiße
Flocken und als Bodensatz konnte ich einige braune Körnchen
beobachten. „Siehst Du," sagte die Stimme darauf, „das ist Dein
Wein, ein verfälschtes Produkt. Das bischen Traubengehalt, was
darin war, hat mein Medium bei sich behalten; die helle Flüssigkeit
, die Du siehst, ist der Zusatz von Wasser, die weißen Flocken
ist Alkohol und die braunen Körnchen der Farbstoff, mit dem das
Gemisch seine tiefe Färbung erhalten hat." -
Einige Tage später wurde derselbe Auflösungsprozeß am
Kaffeetische vorgenommen. Die unsichtbare Kraft löste durch
den Mund meiner Frau den fertig gekochten Kaffee mit Milch
vermengt auf, so daß die zermahlenen Bohnen, die Milch und
das Wasser vollkommen gesondert wieder aus ihrem Munde gelassen
wurden. Ferner zeigte uns dieselbe Kraft, wie sie du^ch
die Finger meiner Frau ein fein geschliffenes, hellklingendes Weinglas
m ein grobes, dumpfklingendes verwandeln konnte. Ebenso
geschah es mit einer Porzellantasse, die ich nach ihrer Präparierung
auf Wunsch dieser unsichtbaren Kraft sogar auf den Fußboden
warf, ohne daß sie zerbrach; erst nach Zurückverwandlung
in ihren ursprünglichen Zustand konnte ich das Gefäß zerbrechen
.
Diese Kraft war — nach den Aussagen des Führers des
Mediums — eine vorübergehende Kraft, die mit den Gesetzen
der Chemie wohl vertraut war. die aber nicht bei einem Medium
beständig wirkt. Einige Zeit später stellte sich dieser „geistige
Chemiker" wieder ein. Es war an einem Sonntag im darauffolgenden
Sommer. Wir saßen beim Mittagsmahl und ha^en
unter anderem ein Gefäß mit Gurkensalat auf dem Tische stehen.
Ein Bekannter nahm am Mahle teil, der seit Jahren keinen
Gurkensalat mehr angerührt hatte, weil er erklärte, daß er in
früheren Jahren nach dem Genüsse desselben totkrank geworden
war. Meine Frau, die kurz vorher in den ©beren Räumen eine
magnetische Behandlung erteilt hatte, kam gerade hinzu, als der
Bekannte seine frühere Erfahrung mit Gurkensalat erzählte. Sie
war noch unter Einfluß, ging an den Tisch und fuhr einige Male
mit den Händen über die Schüssel mit dem Salat und sagte darauf
zu dem Manne: „So, nun kannst Du getrost davon essen, er
wird Dir diesmal gut bekommen."
Ich redete ihm ebenfalls zu, davon zu nehmen, und er tat es.
Der Salat schmeckte ihm, er aß viel davon. Am Abend gingen
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