Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
42. Jahrgang.1915
Seite: 503
(PDF, 159 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0515
Kaindl: Freie Gedanken eines russischen Dogmatikers. 503

Als Illustration zu dieser Behauptung mag die Schilderung
dienen, die uns Schwegler in seiner „Geschichte der Philosophie
"2) von der griechischen Aufklärungsperiode, d. i. der
Periode, in der die aufklärerische Reflexion herrschte, entwirft.
Sie lautet: „Was das ganze griechische Leben während des
peloponnesischen Krieges praktisch, ist die Sophistik theoretisch.
Plato bemerkt in der »Republik* mit Recht, die Lehren der
Sophisten sprächen eigentlich nur dieselben Grundsätze aus, die
das Verfahren der großen Menge in ihren bürgerlichen und geselligen
Verhältnissen leiten, und der Haß, mit dem sie von den
praktischen Staatsmännern verfolgt würden, beurkunde gerade
die Eifersucht, mit welcher die letzteren in ihnen gleichsam die
Nebenbuhler und Spielverderber ihrer Politik erblickten. Ist in
der Tat die Absolutheit des empirischen Subjekts (d. h. die Ansicht
, daß das einzelne Ich ganz nach Willkür bestimmen könne,
was wahr, recht, gut sein solle), das theoretische Prinzip der
Sophistik, so tritt uns dieses praktisch gewandt als schrankenloser
Egoismus in allen Gebieten des damaligen Staats- und Privatlebens
entgegen. Das öffentliche Leben war zu einem Tummel-
platz der Leidenschaft ünd Selbstsucht geworden, jene Parteikämpfe
, die Athen während des peloponnesischen Krieges erschütterten
, hatten das moralische Gefühl abgestumpft und erstickt
; jeder einzelne gewöhnte sich, sein Privatinteresse über
dasjenige des Staats und des allgemeinen Wohls zu stellen, in
seiner Willkür und in seinem Vorteil den Maßstab für sein Tun
und Lassen, Wollen und Wirken zu suchen. Der protagoräische
Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge, wurde praktisch nur
allzu treu befolgt, und der Einfluß der Rede in Volksversammlungen
und Gerichten, die Bestechlichkeit des großen Haufens
und seiner Leiter, die Blößen, welche Habsucht, Eitelkeit, Parteilichkeit
dem schlauen Menschenkenner zeigten, boten nur allzu-
viele Gelegenheit, jene Praxis in Ausübung zu bringen. Das Herkommen
hatte seine Macht verloren, die Gesetze erschienen als
Übereinkommnis der Mehrzahl, die staatliche Ordnung als willkürliche
Beschränkung, das sittliche Gefühl als Wirkung staatskluger
Erziehung, der Glaube an die Götter als menschliche Erfindung
zur Einschüchterung der freien Tatkraft, die Pietät als ein Statut
menschlichen Ursprungs, das jeder andere durch Überredungskunst
umzuändern berechtigt sei. Die Herabsetzung der natur-
und vernunftgemäßen Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit zu
einer zufälligen Menschensatzung ist hauptsächlich der Punkt, in
welchem die Sophistik mit dem allgemeinen Zeitbewußtsein der
Gebildeten sich berührte, und es ist nicht überall bestimmt zu entscheiden
, welchen Anteil daran die Wissenschaft und welchen

2) Leipzig, Druck u. Verlag von Philipp Reclam jun., eleg. geb.
M. 1.50.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0515