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Beichel: Sir Oliver Lodge und der europäische Krieg. 511
Unbegreifliche führt, oder sollen wir den Schritt ins Dunkle wagen
und uns den Vorwurf zuziehen, daß wir alles erklären wollten
und darüber ins Unergründliche geraten sind?
T h. : Wir würden dann eben die tiefste aller religiösen
Fragen unerörtert lassen. —
0. : Wir haben jedenfalls festgestellt, daß es ein religiöses
Grundgefühl gibt, und haben vermutet, daß auch jene anderen
Gefühle, für die wir keinen irdischen Ursprung fanden, auf demselben
Boden erwachsen sind. Werden wir nun vielleicht geneigt
sein, auch die Mystik mit Hilfe jenes Grundgefühls zu erklären?
T h. : Das ist doch wohl wieder nur eine Analogie, und wir
kämen auf diese Weise sogleich zu jenen phantastischen Behauptungen
, von denen du vorhin selbst gesprochen hast.
O. : Wir müssen uns also zunächst damit begnügen, daß
wir das Wesen der Mystik genau bestimmen und den Unterschied,
der sie von den anderen Gefühlen trennt. Werden wir zunächst
denen beistimmen, die sie für eine pathologische Erscheinung ansehen
?
(Schluß folgt.)
Sir Oliver Lodge und der europäische Krieg.1)
Sir Oliver Lodge sucht in „The War and After" (Methuen,
London) die Aufmerksamkeit auf gewisse Punkte zu lenken und
legt Nachdruck auf die im Vordergrund stehenden [spiritualistischen]
Erscheinungen der gegenwärtigen schwierigen, doch hoffnungsvollen
Situation. Er giebt die große Schuld zu, welche denkende Engländer
den Deutschen von früher her zu verdanken haben. Die
gebildete Welt ist daher entsetzt über den gegenwärtigen Ausbruch
von Roheit, da er eine gotteslästerliche Schändung von hohen
Gaben und ein in den Kotziehen einer edelen Vergangenheit ist.
Eine Auflehnung ist erfolgt nicht allein gegen ideale Philosophie —
die Philosophie eines Kant, Fichte und Hegel, — sondern auch
gegen das Christentum; denn die deutsche Lehre von unverantwortlicher
Macht und die Obergewalt des Staates, unkontrolliert
von einer höheren Macht, ist praktischer Materialismus. Für was,
fragt Sir Oliver, kämpfen die Deutschen ? Kein Krieg war nötig
für Ausbreitung des Handels, und die Behauptung, daß sie Krieg
aus Furcht vor fremden Angriffen anfingen, ist eine falsche und
jämmerliche Entschuldigung.2). Sir Oliver behauptet, daß selten
in einem Kriege die Streittrage so klar ist, als in dem gegenwärtigen
, und denen die noch immer an dem einseitigen Standpunkt
1) Nach „Light", London vom 28. Aug. 1915, übersetzt von
Prof. Willy Reichel (Pasadena).
2) So denken ja leider vie'e Engländer und Amerikaner, einmal
aber muß die Wahrheit doch schließlich ans Licht kommen. W. R.
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