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522 PsycLische Studien. XL1I. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1915.)
kein Zweifel, daß bei hysterischen Phänomenen objektive Handlungen
vorkommen, welche genau jenen des bewußten Betrugs
gleichen und dennoch gänzlich unbewußt ausgeführt sind. Daher
glaubt Hyslop den Ausdruck Trance-Täuschung passend, solange
nicht ein besserer gefunden wird. Der Ausdruck „Hysterie" soll
ungefähr dasselbe sagen, nämlich daß die Phänomene unbewußt
erzeugt werden, unbewußt in dem Sinne, daß die normale Verantwortlichkeit
ausgeschlossen ist. —
Was nun die genannten drei Hypothesen für den
Fall Burton im Speziellen betrifft, so hält Prof. Hyslop 1. ein
weiteres Eingehen auf die Betrugshypothese für überflüssig, sobald
Hysterie nachgewiesen ist. Mit dem Vorhandensein der unzweifelhaften
Kennzeichen von wirklicher Hysterie,
als da z. B. sind Anästhesie und Hyperästhesie und die Begleiterscheinung
des Trance, ist bewußter Betrug ausgeschlossen.
2. Was die sog. Trance-Täuschung anlangt, so
nimmt der Laie, der von Cartesianischen Ideen erfüllt ist, an, daß
wenn das Bewußtsein nicht mit den körperlichen Handlungen
verbunden ist, der Geist nichts damit zu tun hat und somit das
Subjekt von jeder Verantwortlichkeit entbunden ist. Nun. daß
letzte im moralischen Sinne in dem Falle geleugnet wird, ist
korrekt, aber falsch ist, wenn man das Gebiet der Mental-
Funktionen auf normales Bewußtsein beschränken will.
Die moderne Psychologie nimmt den Ausspruch Descartes'
nicht an, daß nämlich Bewußtsein die einzige Funktion des
Geistes ist. Sie beansprucht einen weiten Raum für das, was sie
Unterbewußtsein nennt, dessen Tätigkeit sie doch von den reinen
Nervenfunktionen unterscheidet.
Allein was wissen wir vom Unterbewußtsein? Man benützt
das Wort dazu, alle möglichen Mysterien der Seele zu lösen und
doch ist das Unterbewußtsein selbst das größte Mysterium. Es
ist nur der Name für ein Gebiet in Beziehung zu dem uns bekannten
Gebiet des Bewußtseins. Wir wissen nicht, was das Un-
bewußtsein ist, wir wibsen lediglich, daß es ein Nichtbewußtsein
ist. Es umfaßt das weite Gebiet zwischen den automatischen
Funktionen und den vollständig teleologischen Handlungen.
Die Frage ist ungeheuer kompliziert: ist das Unterbewußtsein
automatisch oder teleologisch? Es muß vor allem untersucht
werden, ob irgend eine Form von intelligenter Tätigkeit mit dem
Phänomen verbunden ist, für die das Subjekt moralisch nicht verantwortlich
gemacht werden kann und die gleichwohl nicht das
ist, was es vorgibt zu sein. Prof. Hyslop macht diese scharfe
Unterscheidung zwischen automatischen und teleologischen Phänomenen
in den Trancezuständen, ist aber überzeugt, daß sich nicht
immer so streng zwischen beiden Erscheinungen unter-
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