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Kurze Notizen.
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b) Totenbett-Visionen. (Übersetzt aus dem Englischen
von Prof. Willy Reichel.) Eine berufsmäßige Krankenpflegerin
, die sich „Joyu unterzeichnet und an vielen Totenbetten
gestanden hat, erzählt in der,, Christian Commonwealth**, daß in
einer Anzahl von Fällen die sterbende Person, bevor das Ende
kam, Jemanden erkannte oder zu erkennen schien, der den Übrigen
unsichtbar war. Da Miss Joy selbst medial veranlagt war, sah
sie verschiedentlich gleichfalls das, was die sterbende Person sah,
und ebenso die nachfolgende Umbildung. Sie beschreibt eine
ihrer Erfahrungen folgendermaßen; „Es war in einem Hospital.
Ein junges Mädchen von 17 Jahren, gut, freundlich und kirchlich
gesinnt, war sterbend an Auszehrung. Kurze Zeit bevor sie
starb, erschienen plötzlich zwei geistige Gestalten — ich nenne
sie „Engel** —, die am obersten Ende des Bettes standen, einer
auf jeder Seite. Sie waren so genau für mich sichtbar, als wären
sie lebende Menschen. Gerade bevor diese erschienen, rief das
junge Mädchen: „„Es ist dunkel geworden, ich kann nichts mehr
sehen.**** Dann sah sie diese beiden Gestalten und ein Lächeln
reizend aussehend, glitt über ihr fahles Gesicht. Sie breitete ihre
Hände aus und rieh „Sie sind gekommen, um mich zu holen;
ich bin glücklich, denn ich bin sehr müd.** Als sie ihre Hände
ausstreckte, reichten beide Engel ihr die Hände, einer nahm ihre
rechte und der andere die linke. Ihre Gesichter waren durch
ein Lächeln verklärt, noch schöner als das des jungen Mädchens,
die bald die Ruhe finden sollte, die sie ersehnte. Sie sprach nicht
mehr, doch für fast eine Minute, so schien es mir, blieben ihre
Hände ausgestreckt, von den Händen der Engel angefaßt, während
sie fortfuhr, mit einem glücklichen Gesichtsausdruck lächelnd auf
diese zu blicken. Ihr Vater, Mutter und Bruder, die zugerufen
worden waren, weinten bitterlich, denn sie wußten, daß sie sterben
würde. Von meinem Herzen kam ein Gebet, daß sie sehen
möchten, was ich sah, aber sie sahen nichts. Die Engel ließen
jetzt die Hände der Sterbenden los, die auf das Bett fielen. Ein
Seufzer kam noch von ihren Lippen wie von Jemand, der sehr
Schlaf benötigt, und in der nächsten Minute hauchte sie ihren
Geist aus. Doch das süße Lächeln, mit dem sie die Engel anblickte,
blieb auf ihren Gesichtszügen. Auch die Engel blieben am Bett,
während der kurzen Zeit, welche die geistige Form über den Körper,
in welchem das physische Leben aufgehört hat, braucht, sich zu
entwickeln. Dann erhoben sie sich und standen schwebend
für ein paar Augenblicke t jeder auf einer Seite von ihr, die nun
zu diesen Wesen gehörte. Und ich sah hierauf deutlich drei
Engel die Stube verlassend, in der kurze Zeit vorher nur zwei
gewesen waren.*' — So der Bericht der Diakonissin. A. J. Davis
beschreibt in seiner Philosophie des Todes im „Arzt** genau denselben
Vorgang beim Ableben einer guten Person; bei anderen,
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