Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
43. Jahrgang.1916
Seite: 3
(PDF, 148 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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Krauß: Das zweite Gesicht

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der ihn bei jedermann beliebt machte. Mit seinen Scherzen
suchte er alle trübe Gedanken seines Mütterchens zu verscheuchen.
Bis das Merkwürdige geschah, das ihm immer noch Unfaßbare,
Unbegreifliche, welches ihm die Gewißheit gab, daß er nimmer
aus dem Kriege heimkehren werde.

Und das ereignete sich in der vergangenen Nacht und war
so: er mochte einige Stunden geschlafen haben, als eine plötz-
liehe Helle ihn zwang, die Augen zu öffnen. Im ersten Augenblick
dachte er, es wäre in der Nachbarschaft Feuer ausgebrochen
und sein Zimmer hell vom Widerschein. Aber das Licht war zu
unwirklich, grell und blendend. Er wollte schreien; aber seine
Kehle war wie zugeschnürt. Der Gedanke, daß er träumte, stieg
in ihm auf. Aber er kniff sich in den Arm und fühlte den
Schmerz, betastete seine Bettdecke, griff nach dem Stuhl, — nein,
er träumte nicht, er wachte! Und er war eben im Begriff, aus
dem Bett zu springen, um nach der Ursache der Helle zu forschen,
da geschah das Sunderbare: einen kurzen, scharfen Schlag spürte
er auf seinen Nacken niedersausen und es quoll an der Stelle, die
weiter nicht mehr schmerzte, auf wie Blut und rollte und schoß
warm über seinen Rücken. Er sah nach, wie alles um ihn her
sich rötete. Dann schwanden seine Sinne. Und er sank in einen
tiefen, todähnlichen Schlaf.

Als er diesen Morgen länger wie sonst in seiner Kammer verblieb
und sein Mütterchen kam, ihn zu wecken, schaute er immer
wieder ganz erstaunt um sich. Er glaubte tot zu sein —, aber
alles um ihn her war unverändert. Er lebte! Und doch: es war
kein Traum! Mit klarer Deutlichkeit stand wieder die ganze
Szene der Nacht vor ihm.

Seinem Mütterchen gegenüber schwieg er. Sie sollte sich
nicht beunruhigen.

Stockburger richtete sich plötzlich mit einem Ruck auf, verbiß
sein Weh, schalt sich einen Waschlappen, ein abergläubiges
Jammerweib und schämte sich seiner Weichheit. Trotzig stand
er unterm geöffneten Wagenfenster mit zusammengepreßten
Lippen und ließ seine Blicke über die blauschwarzen Waldhöhen
schweifen. Die Forste ragten stolz und in tausend Wipfeln ins
lichte Morgenblau. Weiße, feine Nebel trieben träge am Flusse
hin, der dunkel sich durchs schmale Wiesental schlängelte. Herbe,
würzige Waldluft strömte durchs Fenster und fächelte kühlend
uro Stockburgers heiße Stirne. Er holte tief Atem und zog gierig
d:e frische, durchsonnte Morgenluft ein, die ihn wieder einigermaßen
beruhigte. Wie liebkosend streiften seine Blicke die verträumte
, ernste Landschaft. Alles kam ihm heute schöner vor,
als je. Und mit solch zärtlicher Liebe hatte sein Auge noch nie

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