http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0020
16 Psychische Studien. XLIII. Jahrgang. 1. Heft. (Januar 1916.)
hub der Spuk an. Gegenstände verschwinden insgeheim. Schreckbilder
von wandelnden Leichen, Gerippe mit Totenköpfen kommen
einhergewackelt, Mäuse trippeln umher. Bestien fletschen die
Zähne. Auf dem Kirchwege fühlt sie sich zurückgezogen; im
Beichtstuhle wurde ihr die Zunge gelähmt; bei dem Gebete vernahm
sie Gotteslästerungen; die Brust ward ihr zentnerschwer gepreßt
. Ihr Beichtvater, der Redemptorist P. Rome, nimmt ein
Privatexorzismus mit ihr vor. Alles hilft nichts.1) Steine kommen
geflogen, so daß der Mörtel von der Mauer fällt und die Steine
ihr Bett umsausen. Ein andermal wird unter Gepolter ein Haufen
Steine vor ihr Bett ausgeschüttet. Ein Topf mit Wasser wird
ihr über den Kopf gegossen, so daß sie vom durchnäßten Bette
aufstehen mußte.-)
Unglaublich dünken diese Schreckerscheinungen des Spuks.
Doch Tausende von ähnlichen Spukphänomenen und Drangsalen
sind im Leben der größten Heiligen verzeichnet, können heute
noch allenthalben in Stadt und Land erlebt und beobachtet
werden.
Im kleinen Großherzogtum Luxemburg kamen übrigens, so
weit mir bekannt, sonst keine so auffallende schreckbare Haussteinigungen
wie die oben beschriebenen vor, doch viele kleinere,
unbedeutende Spukerscheinungen, die in Familien sich abspielten
und nach bestem Vermögen vertuscht, geheimgehalten wurden.
Man schrieb Nachbarn, angeblichen Hexen und Zauberkünstlern
diese foppenden und nörgelnden Manipulationen zu. In Cleof
hatte in der frommen Familie eines Gerbereibesitzers die Frau
viel in den Jahren 1860 von solchem Spuk von Klopftönen,
Porzellantanzen in der Abenddämmerung zu leiden, sodaß sie die
Nachbarn zu Hilfe rufen mußte. In derselben Ortschaft waren in
2 verschiedenen Gässelchen dergleichen Phänomene zu verzeichnen.
In der Stadt Luxemburg hatte ein angesehener Advokat und
Deputierter um dieselbe Zeit ähnlichen Spuk erlebt, so daß er die
Miete kündigen, ein anderes Haus beziehen mußte.
Im Sagenschatz des Luxemburger Landes ist man erstaunt,
eine ungemein große Zahl von Erzählungen über verwunschene
Häuser, Spukerscheinungen auf Kirchhöfen, Ruinen usw. zu lesen.
Frei darf man behaupten, daß die Erzählungen auf wirklichen,
aber verschieden erklärten Tatsachen beruhen, die sich forterzählten
und in der Folge als „Folklore" dem Sagenschatz des Volkes ein-
verleibt wurden.
Auch aus dem benachbarten belgischen Städtchen Laroche
berichteten um 1880 die belgischen Zeitungen einen Wochen lang
*) Immer so bei hysteria maiorI — Red.
2) S. „Mutter Maria Dominika Klara vom hl. Kreuz und ihre
Klostergründung,tt von J. P. Barthel, Rektor. Mit bischöfl. Approbation
und Vorwort. Paulusges. Luxemburg, 1*>08.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0020