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Zum Andenken an f Dr. Walter Bor mann.
spanntheit frei war, durch seinen unerschütterlichen Glauben,mit
seiner verstorbenen Gattin in geistiger Kommunikation zu stehen.
Jedenfalls verfügte er über ein achtenswertes philosophisches
Wissen (er rechnete sich zur Schule Kants) und erwarb meine
Sympathie rasch durch seinen edlen Charakter, seinen hohen
Idealismus, seine religiöse Vertiefung, sein Freisein von Menschenfurcht
, durch die Offenheit, Wahrheit, Liebenswürdigkeit seines
Wesens. Zwar hat er mir nie sein religiöses Glaubensbekenntnis
ex professo dargelegt, aber ich konnte wohl merken, daß er eine
Art von undogmatischem Christentum mit dem Bekenntnis zum
wissenschaftlichen Okkultismus zu einigen suchte. Eine seiner
Grundanschauungen war die von der fortlaufenden Höherentwicklung
des Menschen, die sich erst im Transzendenten vollendet.
Gegenüber der theosophischen Strömung verhielt er sich mit Recht
kritisch, ja ablehnend. Ein bekannter Münchener Spiritist klagte
mir einmal über Bormanns „Rechthaberei", vielleicht aber halle
dieser den Spieß umdrehen können. Bormann dürfte sich eben
durch seine tief gründende philosophische Bildung den meisten
dortigen Spiritisten und Okkultisten doch geistig überlegen gefühlt
haben. Er war ein Wahrheitssucher im besten Sinne des Wortes
und ich bedauere nur, nicht öftere Gelegenheit gehabt zu haben,
seines anregenden Umgangs mich zu erfreuen. Empört bin ich
A) Dr. Bormann, der echt deutsch empfindende Idealist, leitete
bekanntlich als 1. Vorsitzender viele Jahre lang die von seinem
Meister Dr. du Prel in München begründete „Ges. f. wiss. Psychologie
*, der unsere ältesten und* verdientesten Mitarbeiter angehörten
und in welcher die gegensätzlichen, auch durch Temperament und
Erfahrung bedingten Welt- und Lebensanschauungen der gläubigen
Spiritualisten, der zahlreichen Theosophen, der praktischen Experi-
mentalforscher und der noch nicht überzeugten Skeptiker häufig so
scharf aufeinandergeprallt zu sein scheinen, daß es ihm trotz aller
durch sein Herzleiden erschwerten Mühe und treuester Gewissenhaftigkeit
auf die Dauer nicht mehr möglich erschien, dieses Lebenswerk
seines verstorbenen Freundes in dessen wissenschaftlichem
Sinn über Wasser zu halten, weshalb er dann seinen Eücktritt nahm.
Unseres Wissens ist es auch seinem sehr erfahrenen und rührigen
Nachfolger nicht gelungen, dieses Ziel zu erreichen. Auf diese
unerfreulichen Vorgänge, bei welchen seine zunehmende Krankheit
natürlich auch mit in Bechnung gezogen werden muß, bezieht sich
offenbar die obige Anspielung. Andererseits setzte er seine erfolgreiche
Wirksamkeit für Erforschung historisch und experimentell
wichtiger okkultistischer Erscheinungen und Vorkommnisse um so
energischer, namentlich durch eine weitreichende, äußerst fleißige
Korrespondenz mit den bekanntesten Wortführern des Okkultismus
und Spiritualismus aller Länder mit unermüdlichem Eifer fort und
erwarb sich durch nachträgliche genaue Feststellung bestrittener oder
fraglicher Tatsachen bleibende Verdienste. So entstand auch sein
Briefwechsel mit Prof. hon, W. Beichel, dem seine ausgedehnten
Weltreisen und seine reichen Geldmittel die wertvollste Unterstützung
dieser Bestrebungen gestatteten. (Vergl. K. JNot. d) im
Dcz.-Heft S. 571 über Eeichel's Eeise nach Costa Bica). — Eed.
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