Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
43. Jahrgang.1916
Seite: 55
(PDF, 148 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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Freudenberg: Streiflichter au japanischen Kultus. 55

kalten Strahl auf Kopf und Nacken rinnen. Daß eine sich ekstatisch
gebärdende Frau dies nahezu drei Viertelstunden aushielt,
muß man gesehen haben, um es zu glauben. Dabei deklamierte
sie so theatralisch, bald lispelnd, bald unter Tränen laut aufkreischend
oder Flüche donnernd, wie ich es nur bei Wahnsinnigen
oder bei Trancezuständen gesehen habe. Viele warteten, um endlich
an ihre Stelle zu treten. Dieselbe Frau sah ich später vor
einem andern Altärchen, jetzt aber bekleidet, Kerzchen anzünden
und ihr lautes Beten von Neuem beginnen. Mit noch lauterer
Stimme jedoch betete an einem andern Waldaltar ein Mann in
ihrer nächsten Nähe, so daß es geradezu ein Wettschreien wurde. —

Eine eigentümliche Furcht vor dem Vollmond zeigt sich bei
den Japanern. Um die Mondgöttin zu versöhnen, stellt man alsdann
Speiseopfer, meist Schälchen mit Reis, auf die Dächer und
Fensterbrüstungen. Noch unheimlicher scheint ein Selbstmord
auf die Nachbarschaft zu wirken. Das erlebte ich im Fall eines
jungen Mädchens, das freiwillig aus dem Leben geschieden war.
Da zündeten die Nachbarn abends Lichter auf den Fensterbänken
an und stellten Opfergaben hin, wohl aus Furcht vor einer möglichen
Rache des Geistes der Abgeschiedenen. Ganz in das Gebiet
des Aberglaubens aber fiel es, daß niemand im Hotel einen
Strauß von schönen roten Blumen dulden wollte, den ich aus einem
üppigen Tal in der Nähe des Biwasees mitbrachte. „Fortwerfen!**,
rief alles, vom Manager bis zur letzten Geisha. Es sei eine „Totenblume
*', belehrte mich Herr Rosenörn.

Besonders idyllisch am Walde liegen Tempel und Kloster
Kurodan, berühmt durch eine uralte Fichte, und der im Umbau
begriffene Buddhatempel Shinniodo. Dort legt man auch einen
Dreistrahl an. Im Garten stehen nebeneinander eine Buddha-
und eine Amidastatue in Bronze, beide von schönster Ausführung,
Buddha mit den einander genäherten Daumen, Amida mit erhobener
rechter Hand. Nebenan liegt ein Shintotempel. Die hohe Steintreppe
ist flankiert von zwei Löwenhunden aus Bronce von ganz besonderer
Schrecklichkeit und seltsamer Stellung. Kopf und Vorderfuße
ruhen auf dem Boden, Leib und Hinterbeine schweben hoch
in der Luft. Von dort den Berg hinansteigend gelangt man zum
buddhistischen Tempel Yoshida-jinsha der aber stark vershintot
ist. Dort sah ich eine eigentümliche Zeremonie. Zuerst sangen
die vier amtierenden Bonzen abwechselnd mit dem Publikum
eine Litanei. Alsdann knieten sich vier Andächtige vor je einen
der Priester, der ihnen nach vielen gegenseitigen Verbeugungen
den Kimono hochhob und mit Gewalt in diesen hineinblies, so daß
sich das Gewand an Brust und Leib aufbauschte. Auch bliesen
die Bonzen in ihre eigenen Hände und strichen alsdann damit über
Gesicht, Arme, Brust und Rücken der Gläubigen. Ob diese eigentümliche
Pust- und Massagebehandlung lediglich religiösen oder


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