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Philalethes: Ein klassisches Muster metapsych. Phänomene. 71
losen, vielfach entstellten Spuksagen, wozu die Legenden von Teufeln,
Gespenstern, verwunschenen Häusern, weißen Frauen und dergl
zu rechnen sind, immerdar einen Bodensatz wahrer Begebenheiten,
die sich auf Generationen und Jahrhunderte in Varianten mit
neuen Zusätzen bezw. Entstellungen fortpflanzen.
In der genannten Sammlung Gredt nehmen nun die Spuksagen
einen großen Raum ein, sie sind leider von wenig geschulten
Schreibern, Studenten, Grenzaufsehern, Lehrern u. a. ohne
gehörige Vorbildung und Kenntnis niedergeschrieben, subjektiv
abgefaßt oder dargestellt, von ordnenden Sammlern ohne alle
Kritik und wissenschaftliche Einteilung, wie eine „rudis indiges
taque moles", eine Schuttmasse, mitgeteilt worden. Ganz anders
wird der psychologische Kulturhistoriker diese Bausteine des Sagenschatzes
verwerten und benutzen müssen. Sogar die Aufschriften
vieler Sagen bekunden schon, daß die Schreiber nicht eine blasse
Ahnung von der tieferen Bedeutung des „Spuks", wie solche in
verwunschenen Häusern, bei Verhexung, Bezauberung, spukenden
Tieren usw. hervortritt, hatten. Entschuldbar sind sie, da ja selbst
in unseren Tagen hoehberühmte Volksschriftsteller für ihre Erzählungen
vielfach Titel von Spuk und Gespenstern wählen, wenn
auch nicht ein Scheingrund vorliegt und sie ihre Unkenntnis handgreiflich
verraten, ja sich brandmarken.*)
Das Gleiche muß man von den vielen hundert Zauber- und
Hexensagen erklären. Das Volk ist vom Wunderglauben beherrscht,
mit Zauber- und Hexenglauben gleichsam erblich belastet, da aus
de? fränkischen Ahnenzeit her vielgestaltiger Aberglaube mit den
tausend Abarten und Wahrsagerkünsten ihm als Erbgut der Hang
zur mystischen Naturauffassung Übermacht wurde. Nun grassierte
bis zur völligen Erkrankung der Volksseele über 250 Jahre lang
seit 1488 der Hexen- und Zauberwahn gleich einer Geistecseuche
in Europa, hatte zahllose Hexenprozesse mit Scheiterhaufen überall
zur Strafe für die Sabbatsfahrten mit Bock- und Besenritten zu
verzeichnen. Notwendigerweise sind so die Volkssagen über die
*) Man vergleiche in dem genannten Werke Nr. 231 über den
Spuk auf dem Weiderterhof bei Sulz, der von dem sog. Nestelknüpfen
, dem Verwickeln von Pferden and Kühen an Schwänzen
und Kotten berichtet; Nr. 74:5, der Spukgeist bei Obereisenbach,
eine gespensterhafte Erscheinung, Nr. 756, der Spukgeist zu Vianden
und 759 (nichts von Spuk), 783 Stadtbredimus, 774 zu Straßen, 788
zu Gosdorf und Bochholz, 790 zu Esch (wahrer Spuk), ebenso Nr.
807, der Poltergeist zu Götzingen (S. 644), welche wirklichen
Koboldsspuk erzählen, sowie Nr. 808 in Kopstal, auch 809, wo
aus Kemich mehrere sichere Fakta eines verwünschten Hauses berichtet
sind, teilweise auch Nr. 848 vom Jasmännchen als Plagegeist.
Dagegen die spukenden Tiere Nr. 1094—1133, die umgehenden
Seelen 1134—1164 sind wieder unrichtige und gehaltlose Spukerzählungen
.
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