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Hänig: Okkultismus — Religion — Metaphysik. 81
aber eben nicht der Sinneswelt angehört, sondern einer anderen,
welche auf weit feinere Schwingungen wie die unsere reagiert.
Kämen, wie wohl öfter angenommen wird und wie auch der Name
besagt, zwei Faktoren bei diesem Vorgange in Betracht, so könnte
es sich höchstens um einen suggestiven Prozeß handeln, der von
der Gottheit auf den Menschen ausgeführt wird, aber jeder, der
den Hypnotismus kennt, wird wissen, daß es sich dabei nur um
eine Hervorrufung von höchstens latenten Zuständen im Menschen
handelt, so daß wir also auch bei dieser Annahme auf jene Deutung
zurückkämen. Die Mystik ist gewissermaßen der höchste
sittliche Zustand, dessen der Mensch auf dieser Welt teilhaftig werden
kann, sie führt also nach dem früher Gesagten von selbst aus
dem Bewußtseinsreich, das wir Erde nennen, und wir erhalten auf
diese Weise eine viel bessere Erklärung davon, als wenn wir
einen unbekannten Faktor zu Hilfe nehmen würden.
Freilkh ist das Problem der Seele, wenn wir ihm auf diese
Weise auch ein paai dürftige Erklärungsversuche entlockt haben,
auf der anderen Seite nur um so schwieriger geworden: eine ganze
Menge anderer Fragen tauchten auf, von denen wir, wenigstens
vorläufig, auch nicht eine einzige mit Sicherheit lösen können.
Die Seele entwickelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch nach
dem physischen Tode, ja unser ganzes Leben bildet nur einen Teil
ihrer Entwicklung, aber was ist die Seele überhaupt? Wo kommt
sie her und wo geht sie schließlich hin? Was ist Gott und wie
verhält er sich zu ihr? Wo hat die Seele gelebt, ehe sie sich
soweit mit Materie umkleidete, daß sie auf die Schwingungen
unserer Sinneswelt reagiert und was tut sie während dieser Zeit?
Das einzige, was wir auf alle diese Fragen zunächst mit
Sicherheit antworten können, ist dasjenige, was schon früher erwähnt
wurde: unser irdisches Bewußtsein ist nicht die Seele, und
jenes höhere Bewußtsein, das sich gewissermaßen bei unserer
Menschwerdung auf unsere Körperwelt eingestellt hat, war auch
schon vorher vorhanden und wird voraussichtlich auch nach
unserem Tode irgend einmal eine Rolle spielen. Es hat also, wie
sich ein Hellseher ausdrückt (Leadbeater: die Devachan-Ebene
2 p. 164 ff.) eine Verschleierung des Geistes stattgefunden, und
es wird voraussichtlich schon nach dem Tode wieder eine Entschleierung
unseres sinnlichen Bewußtseins stattfinden, aber wir
kennen weder die einzelnen Zonen, nach denen sie stattfindet, noch
wissen wir über den Anfang und das Ende dieses Prozesses etwas
Sicheres auszusagen. Ist die Astral weit die letzte große Entwicklungsstufe
der Seele oder gibt es deren noch mehrere? Astral-
und Sinnenwelt unterscheiden sich zunächst nur durch die Art der
Schwingungen, auf die das jeweilige geistige Agens reagiert —
muß dieses Agens, wenn es sich wirklich weiter entwickelt, nicht
auch auf Schwingungen reagieren, die noch feiner sind als die
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