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Hänig: Okkultismus — Religion — Metaphysik, 83
nach dem Tode machen, die noch weit hinter denen liegen, welche
sich unmittelbar aus diesen Versuchen ergeben. Allerdings geht
diese Entwicklung nach der theosophischen Anschauung nicht ins
Unendliche, sondern die Seele muß, nachdem sie die Mentalwelt
durchlaufen hat, wieder zurück auf die Erde, d. b. der siebente
Seelenteil mit dem sechsten und fünften als Umhüllung, müssen
sich wieder auf die Schwingungen unserer Sinneswelt einstellen,
bis unser irdisches Bewußtsein schon bei Lebzeiten des Menschen
die höchste moralische Stufe erreicht hat, die hier möglich ist.
Wir begegnen also hier der Lehre von der Seelenwanderung, die
wir schon in der Bibel antreffen, die aber durch die christliche
Kirche, wenn auch, wie es scheint, vorübergehend verdrängt worden
ist.*) Der experimentelle Okkultismus hat auch hier versucht
einzugreifen: Oberst de Rochas, der erwähnte Vorgänger
Durvilles, versetzte mehrere Medien in Tiefschlaf, und diese gaben
nun in lückenloser Unterbrechung ihre verschiedenen Leben und
deren Inhalt an, die sie vor ihrer jetzigen Verkörperung auf der
Erde geführt hatten.
Natürlich haben sich diese Versuche, die jetzt in dem Buche:
Die aufeinanderfolgendem Leben (Übers, v. H. Kordon, Leipzig
1914, Verlag von. M. Altmann) zusammengefaßt sind, eine eingehende
Kritik gefallen lassen müssen, und es sind eine Menge
Einwände dagegen vorgebracht worden, die den Wert dieser Versuche
bedenklich abschwächen können. Schon der Einwand, daß
etwa hier Gedankenübertragung vorliegen könne, ist ebensowenig
abzuweisen wie der andere, daß es sich hier um ein unbewußt
entstandenes Gedankenspiel der im gewöhnlichen Leben aufrichtigen
Mädchen handle oder der dritte, daß wir hier einen
tiefen Blick in die Übertragung von atavistischen Vorstellungen
von seiten der Eltern auf die Nachkommen haben. Aber alles das
sind selbst sehr dunkle Gebiete, die zur Erklärung selbst wen^
beitragen — die Frage bleibt offen wie so viele, die uns die Umwelt
und die in uns selbst liegende Welt stellen.
*) Das einzige, was wir vorläufig von unserem Standpunkte aus
damit anfangen können, ist die Erwägung, ob gegen diesen Glauben
irgendwelche Bedenken wissenschaftlicher oder sittlicher Art sprechen,
eine Frage, die entschieden verneint werden muß. Mit einem nchrist-
lichen Empfinden" als Kriterium, wie es ein neuerer theologischer
Kritiker tut, ist hier nichts anzufangen, da dieses Empfinden auch
vor den Tatsachen des Okkultismus völlig versagt hat, es dürfte
sich dabei nur um Aeußerungen von Anschauungen handeln, die
dem Menschen durch die Frziehung eingeprägt sind. Die ganze
Frage läuft im Grunde, wie Du Prel bemerkt, auf die weitere hinaus,
ob sich nicht auch im Jenseits genügend Möglichkeiten für die
Fortbildung der Seele Jänden. Natürlich wäre auch dann eine Rückkehr
der Seele zu dem Erdenleben nicht ausgeschlossen, zumal da
ja unser irdisches Leben auch nichts anderers als eine solche Ein-
körperung ist; vielleicht suchen wir hier Gesetze, wo gar keine Gesetze
vorhanden sind. ß*
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