http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0095
Deinhard : Ist es wirklich Blödsinn an Keiokarnation zu glauben? 91
besagt, was Professor Reich meint — ebenso kurz und klar ausgedrückt
, wie dies Prof. Reich im gegenteiligen Sinne für Jeder-
• mann deutlich ausgesprochen hat. Die betreffende Stelle steht Im
„Onkel Sonnenschein, ein Tagebuch" (Westermanns Monatshefte,
Sept. 1900, S. 722) und lautet: „Unser Leben wird sich wiederholen
. Denn der Wahn, daß wir just und eben jetzt
ein Eintagsleben hätten, ist zu dumm. — Ich bin
und das ist mir der allersicherste Beweis, daß ich war und sein
werde."
Dieser Ausspruch Roseggers ist freilich nicht eine Schlußfolgerung
aus irgeneinem wissenschaftlich absolut sichergestellten
Tatbestand, wie sie Profe sor Reich von seinem Standpunkt aus
mit Recht verlangen wird, wenn er seine Meinung ändern soll,
sondern es ist eine intuitive Erkenntnis, oder wie Goethe sagen
würde, „eine aus dem inneren Menschen sich entwickelnde Offenbarung
", die Rosegger hier kundgibt. Und so machen wir denn
auch die Erfahrung, wenn wir die schon öfter zusammengestellte
Reihe von hervorragenden Zeugen für die Berechtigung des Re-
Vnkarnations-Glaubens durchmustern, daß dies nicht etwa Menschen
sind, bei denen der Intellekt die Hauptrolle spielt, sondern Menschen
von starker intuitiver Begabung, Menschen, die oft wie aus einer
inneren Offenbarung herausreden und handeln, von denen man of*
sagen möchte: es denkt in ihnen. Also Dichter- ued Künstler-
Naturen.
Bekanntlich gehören zu diesen Anhängern des Reinkarnations-
gedankens —- wenn wir bloß die letzten 150 Jahre ins Auge fassen —
Männer wie Voltaire, Lessing,Lichtenberg,Goethe,
Schiller, Jean Paul, Rückert, Novalis,Zschokke,
Schopenhauer, Richard Wagner, Hebbel, der ungarische
Politiker Lazarus Baron Hellenbach, der berühmte
Sprachforscher Max Müller, der schwedische Dichter
August Strindberg usw. Was diese Männer zum ReTnkar-
nations-Gedanken zustimmend geäußert haben, findet der Leser in
Max Seilings jüngster Schrift: „Wer war Christus" (München
1915, Karl Kuhn). Ebenso auch — und zwar in langen Zitaten —
in meiner Schrift: „Das Mysterium des Menschen im Lichte der
psychischen Forschung" (Berlin 1910 Reichl & Go.), worin außer
den hier genannten Dichtern und Künstlern und besonders intuitiven
Naturen auch drei an Hochschulen wirkende Professoren der Philosophie
zum Wort gelangen, die sich ebenfalls mit tiefster Überzeugung
, größter Bestimmtheit und wirklicher Begeisterung für die
Idee der wiederholten Verkörperung ausgesprochen haben. „Erst
durch sie — schreibt einer von diesen drei, der 1908 verstorbene
Professor der Philosophie an der technischen Hochschule zu Dresden
Dr. Fritz Schultze — löst sich uns das Rätsel des Daseins,
erst durch sie gewinnt das Leben seinen Zweck und verliert der
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0095