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92 Psychische Studien. XLIII Jabrg. 2. Heft (Februar 1916.)
Tod seinen Schrecken, erst durch sie weiß ich, warum ich lebe
und wozu ich sterbe". Die hier angeführte Stelle findet sich in
Schultzes „vergleichender Seelenkunde" (Leipzig 1892 E. Günther
S. 205), einem Buch, aus dem klar zu ersehen ist, daß dessen Verfasser
über eine sehr gründliche naturwissenschaftliche Bildung
verfügt.
Selbstverständlich möchte ich aber mit diesem Hinweis auf
Ansichten, die denen verdienstvoller längjähriger Mitarbeiter der
„Psych. Studien", wie den von Prof. Reich diametral entgegengesetzt
sind — den so wünschenswerten Burgfrieden in den Spalten
dieser Zeitschrift nicht stören. Nichts würde ich mehr bedauern.
Aber ich glaubte doch dieser — nicht, wie Prof. Reich meint, zur
„Modetorheit" gewordenen, sondern im Gegenteil sich nur langsam
und mühevoll Bahn brechenden Idee der wiederholten Erdenleben
hier einmal zur Hilfe kommen zu müssen, wo sie so häufig einem
wahren Trommelfeuer von mentalen Projektilen ausgesetzt wird,
die sie ad absurdum führen möchten. Darum also, weil diese Re-
inkarnations-Idee weder aus psyehophysischen noch aus psychoanalytischen
Untersuchungen logisch herauszufolgern ist, wohl aber
aus metaphysischen Betrachtungen intuitiver Art sozusagen von
selbst herauswächst (abgesehen von der eigentlichen okkulten Forschung
, die wir hier aus naheliegenden Gründen ganz beiseite lassen), —
darum eben findet sie so viele Gegner, die es beständig verhindern,
daß sie sich rascher ausbreitet, und zu einer „Modetorheit" wird,
wie Prof. Reich befüchtet. Weil dem so ist, könnte man wahrhaftig
in Versuchung geraten, auf diese vielgeschmähte Reinkar-
nations-Idee ein paar — wie mir scheint — wenig beachtete Verse
Goethes anzuwenden, die so lauten:
Ja das ist das rechte Gleis, / Daß man nicht weiß / Was man denkt, /
Wenn man denkt: / Alles ist wie geschenkt.
Auch die Reinkarnations-Idee ist dem, der sie besitzt, ,,vvie
geschenkt". Daß ich mich hier nicht damit befaßt habe, die Ansicht
Dr. Reichs zu widerlegen, es könne sich bei Entstehung eines
neuen menschlichen Individuums doch nur um ancestrale Vererbung,
nicht aber um Reinkarnation handeln — dies hat seinen Grund
darin, weil die für Reinkarnation sprechenden Argumente die Heranziehung
okkulter Begriffe nötig machen würden, also von Begriffen,
die für Dr. Reich und alle Gegner des Rei'nkarnations-Gedankens
auch nicht die allergeringste Bedeutung besitzen. Ich begnüge
mich hier deshalb damit, alle diese Gegner auf die kleine Schrift
von Dr. Rud. Steiner: „Reinkarnation und Karma" (Philosophiseh-An-
throposophischer Verlag Berlin W. Motzstraße 17. Preis M. —50)
zu verweisen. Steiner verfährt dort mit dem Gedanken der wiederholten
Erdenleben genau wie der Naturfoscher auf dem Feld der
äußeren Tatsachen verfährt.
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