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Freudenberg: Dr. Herzig über Zwangsvorstellung U.Halluzination. 109
assoziation gewinnen kann, so daß dieselbe auch bei langem Bestände
nicht über die Form der Furcht vor der Möglichkeit hinauskomme
. In dieser logischen Abschlußfähigkeit gewisser Vorstellungen
sieht er in der Genese der Zwangsvorstellungen das
Primäre. Die sekundäre Folge desselben sei der Denkzwang.
Unter spezifischen pathologischen Bedingungen könne dieser zur
wahren Zwangsidee werden.
Freud setzt die Zwangsvorstellungskrankheit in ein verwandtschaftliches
Verhältnis zur Hysterie. Wenn nach ihm bei
einer veranlagten Person die Eignung zur Konversion (Umsetzung
der Erregungssumme ins Körperliche) nicht vorhanden ist, aber
doch zur Abwehr einer unverträglichen Vorstellung die Trennung
derselben von ihrem Affekt vorgenommen wird, dann müsse dieser
Affekt auf psychischem Gebiet verbleiben. Die nun geschwächte
Vorstellung bleibe jetzt von aller Assoziation im Bewußtsein übrig,
ihr frei gewordener Affekt aber hänge sich an andere, an sich
nicht unverträgliche Vorstellungen, die durch diese falsche Verknüpfung
zu Zwangsvorstellungen würden. Der Verfasser nennt
diese Auffassung vom Mechanismus der Zwangsideen originell und
findet es bei Freud nur natürlich, daß er den in Frage kommenden
Affekt auf sexuelle Handlungen in der Kinderzeit bezieht.
Zur Frage der Zwangsvorstellungen als besondere Krankheitsform
bemerkt der Verfasser unter anderem, daß, wenn sich
auf dem Boden einer Zwangsvorstellung eine Wahnvorstellung, eine
Paranoia, entwickele, es diskutabel sei, ob man diese als eine
Progression oder als eine vollständige Neubildung aufzufassen
habe. Er selbst spricht der letzteren Anschauung mehr Berechtigung
zu, weil die Paranoia, wenn sie sich auch auf der
Grundlage der Zwangsvorstellungen entwickelt hat, sowohl durch
die neue Bewußtseinsstellung gegenüber den Vorstellungen-, als
durch die gegenüber den Zwangsvorstellungen inhaltlich neuen
Vorstellungen, die mit jenen allerdings als Erklärungsideen logisch
verknüpft sind, gegen ihre Grundlage als etwas Neues sich abhebt.
Was nun die Behandlung der Zwangsvorstellungskrankheit
angeht, so schließt Her Verfasser den Besuch einer Irrenanstalt
aus. Dem Ortwechsel, Zerstreuungen, geselligem Verkehr, das
Gesamtnervensystem günstig beeinflussenden Behandlungen usw.
spricht er nur einen unterstützenden Wert zu. Hauptsache bleibt
eine zielbewußte psychotherapeutische Behandlung, die auf eine
Kräftigung der Willensenergie abzielt. Im allgemeinen werden
dies die Betreffenden aus sich selbst nicht leisten können, daher
der Beihilfe eines guten Seelenarztes bedürfen. —
Der zweite Abschnitt des Buches ist den Halluzinationen
gewidmet und umfaßt die Kapitel: „Einleitende Bemerkungen
", „Wahrnehmung und Vorstellung", „Begriff der
Halluzination", „Beteiligung der Sinneszentren am Zustande-
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