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Kaindl: Teleplastik und Fata Morgana
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kein leerer Wahn, wohl aber die Meinung, daß sie unabwendbar
und unüberwindbar sei. Umgekehrt liebt es die Suggestion, einfach
den dreisten Satz aufzustellen: daß etwas ist, weil es sein
muß. Die Erfüllung von Wünschen wird vorweggenommen, Dinge,
die kaum im Entstehen sind, werden für vollendete Tatsachen ausgegeben
. Man versucht Gedanken dadurch zu Geschehnissen zu
machen, daß man deren Eintritt für unvermeidlich erklärt. Die
Diplomatie des Vierverbandes hat diese Art von Suggestion in ein
förmliches System gebracht, um dadurch ihrer aufdringlichen
Propaganda bei den Neutralen eine Stütze zu geben.
Rascher als die Wirkung der Suggestion pflegt sich aber die
der Autosuggestion zu verflüchtigen. Jedoch auch dann gibt es
kein Zurückgehen. Haben die Gewalthaber eine Zeitlang sich
selbst samt dem Publikum getäuscht, so betrügen sie eben fortan
das Publikum nur noch allein. Wann hat man es je erlebt, daß
Staatsmänner, die ihr Volk in einen unglücklichen Krieg getrieben
haben, ihren Irrtum, ihr Unrecht unumwunden eingestanden
? Daran hindert sie schon der Stolz, der Trotz oder
wie man immer die unüberwindliche Scheu vor der Umkehr benennen
mag. Vor allem aber der Selbsterhaltungstrieb. Ihre
Machtstellung steht auf dem Spiel, ja ihre persönliche Sicherheit,
ihr Leben. Die unsanft aus der Hypnose aufgerüttelten Massen
lassen um so weniger mit sich spaßen, je länger ihr unfreiwilliger
Schlaf gedauert hat. Daß ein solches Erwachen bei unseren
Feinden nicht ausbleiben wird, dafür sorgen am besten die Siege
der deutschen Heere. Denn» eins ist gewaltiger als die stärkste
Suggestion: die Macht der Tatsachen. Zumal wenn sie die weithin
wahrnehmbare Sprache des Waffengeklirrs und Kanonendonners
reden.
Teleplastik und Fata Morgana.
Von Alois Kaindl (Linz a. D.)
(Magische und natürliche Deuteroskopie.)
(Fortsetzung von Seite 66.)
Um nachzuweisen, daß das Vermögen der Phantasie nichts
anderes ist als die durch die leibliche Organisation mehr oder
weniger beschränkte kosmische Schöpfungskraft, geht Daumer
von der willkürlichen Tätigkeit der Phantasie im normalen Wachzustande
aus, indem er schon in diesem Spuren eines unwillkürlichen
Funktionierens derselben an der Hand von Beispielen nachweist
, zeigt sie uns dann in ihrem Wirken als Traumphantasie im
Schlaf leben und in anormalen Zuständen des wachen Lebens, und
zuletzt in ihrer internen und externen ideoplastischen Tätigkeit in
den Zuständen der Ekstase. #
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