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184 Psychische Studien. XL1II. Jahrgang. 3. Heft. (März 1916.)
ganzen Trüglichkeit, aber mit dem Kern von Wahrheit, den sie
doch enthalten. Die dann folgende Führung durch die jenseitige
Seelenwelt, die „Astralwelt", ist nicht etwa eine bloße
Schilderung der Zustände, in denen sich die Menschen nach dem
Tode auf ihren verschiedenen Entwicklungsstufen und gemäß
ihrer verschiedenen Unvollkommenheiten befind en, wie Dantes
„Divina Commedia"; vielmehr zeigt sie, wie zunächst der Geistesschüler
selber ausgebildet wird, um das Gebiet der Seelenwelt
ganz zu verstehen und sich frei und hilfreich in ihm bewegen zu
können.
Dies wird alles ungemein interessant und ebenso lehrreich in
lebendigen Bildern anschaulich erzählend dargestellt. All unser
spirituelles Schauen und Wissen ist dabei geistvoll verwertet, und
es ist ein ganz besonderer Vorzug dieser Schilderungen, daß sie
in durchaus gemeinverständlicher Weise doch in naturwissenschaftlichen
Formen dargestellt sind. Ausgestaltet ist das Ganze
in begeisterter, schöner Sprache, und es ist durchweg getragen
von hoher mystischer Ethik.
Es ist sehr viel wahre Liebe in diesem Romane. Der Verfasser
aber hat glücklicherweise darauf verzichtet, irgend eine
Liebesgeschichte hineinzuflechten, wie dies Bulwer, Jules Verne,
Wells und alle geistesverwandten Schriftsteller noch nötig fanden.
Diese herkömmliche Torheit, daß solche Alltagsgeschichten für
jeden Roman und jede Novelle ein notwendiges Erfordernis seien,
gründete sich doch nur auf die niedrige Gesinnung, daß Frauen
sich in erster Linie für die Geschlechtsliebe interessieren und daß
sie deshalb Erzählungen nicht lesen würden, wenn nicht diese
auch darin behandelt werde. Darüber sind alle edlen Frauen
weit erhaben; und es wäre nur beschämend, wenn hier solche
niedrige Konzession gemacht worden wäre.
Der führende Meister wird als lebender Marsbewohner eingeführt
— zweckmäßigerweise, weil der gewöhnliche Leser sich
nicht denken kann, daß ein Jesus oder Buddha ihr eigenes Entwicklungsprodukt
durch eine ungewöhnlich lange Reihe früherer
irdischer Verkörperungen geworden sind. An das, was „weit her
kommt**, glaubt der heutige Deutsche eher; da gestattet er alle
möglichen Annahmen. Wichtiger als dies ist aber, daß in Korfs
Schilderungen das göttliche Bewußtsein eines Meisters der Weisheit
mehrfach ganz vortrefflich in begeisterten Worten dargestellt
wird.
Eingeflochten ist in den Roman das Weltbild der theo-
sophischen Anschauung, aber nicht dogmatisch, sondern philo-
sophisch, gut begründend aufgebaut, durch anschauliche Bilder
erklärt und mit den nötigen Erwiderungen auf etwaige Einwendungen
versehen. Sollten einem Leser weitere Einwendungen berechtigt
erscheinen, so wird er hier in den Stand gesetzt, sie sich
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