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148 Psychische Studien. XLIII. Jahrgang. 3. Heft. (März 1916.)
fortdauernden sinnlichen Begierden furchtbar zu leiden, weil sie
nunmehr keinen grobstofflichen Körper mehr zur Befriedigung derselben
besitzen. — Sie sehen also: Gewisses über die Zustände im
Jenseits weiß man nicht, man kann nur nach den uns vorliegenden,
mehr oder weniger glaubwürdigen Berichten Vermutungen aufstellen
und muß eben alles weitere abwarten, bis die Verwandlung
uns naht. — Ich bemerke noch, daß Personen, die aus schwerer
Lebensgefahr durch Ertrinken, Bergabsturz, Eisenbahnunfälle u. dgl.
gerettet wurden, von jeher fast übereinstimmend versichern, sie haben
in ihrem, wie sie glaubten, letzten Augenblick alle Hauptmomente
ihres Lebens kaleidoskopartig mit rasender Geschwindigkeit geistig
neu erlebt und je nach dem Erlebten leicht oder schwer zu sterben
geglaubt. Also sicher ist nur das Eine: am besten, bezw. seelisch
ruhig stirbt wohl der Mensch, der seine Pflichten stets möglichst
gewissenhaft erfüllt. Von ihm gilt das schöne Wort: „Wer in der
Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." — Das ist alles,
was ich Ihnen aus eigener Erfahrung und nach den Mitteilungen
anderer auf Ihre Anfrage antworten kann. [NB. Dieser Brief, den ich
an die von Ihnen s. Z angegebene Adresse sandte, kam mit dem Postvermerk
: „Adressat in Kötzchenbroda unbekannttt zurück. Da aber
der Gegenstand wohl auch für andere Abonnenten von allgemeinem
Interesse sein dürfte, glaubte ich die Ihnen damals gegebene Auskunft
an dieser Stelle zum Abdruck Dringen zn sollen. — Maier.]
Literaturb eri cht.
Nachstehend besprochene Werke sind zu Originalpreisen durch die Buchhandlung
von Oswald Mutze, Leipzig Lindenstraße 4, zu beziehen.
Bücherbesprechung.
Weltverbesserer u. Weltverderber. Eine Sammlung von Kriegsaufsätzen.
Von O. Umfried. Vicepräsident der deutschen Friedersgesellschaft.
Verlag: Art Institut Orell Füssli, Zürich. V. 104 S. 8\ Preis M. 1.80.
Die Schrift ist durchrauscht von dem gewaltigen Brausen des
Weltkrieges und spiegelt die tiefe Erschütterung wieder, die das
Gemüt der Besten unter den Schlägen dieses furchtbaren Gewitters
durchbebt. Aus dem Zusammenbruch des Alten aber sieht der Verfasser
die neue Welt in verjüngter Gestalt und im Morgenlicht einer
besseren Zeit sich erheben. Es ist die Werdelust einer neuen sieghaften
Weltanschauung, die in ihm lebt und die ihren Niederschlag
in diesen Aufsätzen gefunden hat, ein unerschüttertes Hoffen auf
die Zukunft der alles heilenden Menschenliebe und Gerechtigkeit,
oin Sehnen und Verlangen nach religiöser, sozialer und politischer
Neugestaltung, wie sie glühender nicht gedacht werden kann. Dabei
ist das Buch durchaas sachlich gehalten. Weit entfernt von aller
Schwärmerei zeigt die Schrift namentlich in ihrem letzten Abschnitt
in aller Nüchternheit das, was werden soll und kann. Frei von
jeder moralischen Entrüstung über die sogenannten Feinde findet
sie nur in einem Fall den Ton scharfer sittlicher Ablehnung, nämlich
dann, wenn sie es mit den Weltverderbern zu tun hat, mit den
Pessimisten und Dunkelmännern, den Kriegshetzern und Scharfmachern
, die Europa in den Abgrund hineingestürzt haben und es
immer aufs Neue an den Rand vernichtender Strudel führen wollen.
Den Weltverderbern Stellt die Schrift die viel angefochtenen Weltverbesserer
gegenüber, deren Ehrenrettung sie versucht. Wer den
Glauben hat, daß Natur und Menschheit verbesserlich sind, der mag
sich von diesem Büchlein zeigen lassen, in welcher Weise gebessert
werden muß, wenn man künftige Zusammenbrüche vermeiden will.
Dr. —-r.
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