Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
43. Jahrgang.1916
Seite: 156
(PDF, 148 MB)
Bibliographische Information
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156 Psychische Studien. XLIII. Jahrg. 4. Heft. (April 1916.)

Es ist in neuerer Zeit der Versuch gemacht worden, bedeutungsvolle
Tatsachen der Weltgeschichte, wie die G r ü n d u n g
dergroßen Weltreligionen auf die Übtertragung eines
Wahnes durch einen geisteskranken Propheten und Religionsstifter
zurückzuführen; man hat selbst Christus und Muhammed,
Savonarola und Luther und viele andere in den Bereich der
psychiatrischen Forschung gezogen. Diese Versuche sind zum
Teil ganz verfehlt, zum Teil unzulänglich, nur Weniges hält ernster
Kritik Stand. Sie sollen uns heule nicht näher beschäftigen.

Was uns wichtig ist, das ist nur die Tatsache: ein mit Überzeugung
vorgebrachter Wahn eines Geisteskranken kann seinem
Inhalt nach auf Geistesgesunde übertragen werden. Diese Übertragung
geschieht um so leichter, je machtvoller die erkrankte
Persönlichkeit auf eine lenksame Umgebung zu wirken vermag.
Unbildung, abergläubisches, unkritisches Denken, alte Gefühlsbeziehungen
(wie z. B. die Liebe der Frau zum Manne, der Kinder
zum Vater) erleichtern die Übernahme des Wahnes

Indem ich das Wort lenksam ausspreche, komme ich den
Tatsachen näher, deren Eigenart zur Aufstellung des Begriffes der
Massenpsychose geführt hat. Lenksamkeit oder Sug-
g e s t i b i 1 i t ä t ist die Eigenschaft der menschlichen Seele, aus
der man den unmittelbaren Einfluß eines Menschen auf einen
anderen zu erklären pflegt. Sie ist die Voraussetzung der Sug-
gestio«, d. h. der Übertragung einer anschaulichen, plastischen
Vorstellung ins Bewußtsein eines anderen unter Ausschaltung der
Überlegung und Kritik. Mit logischen Gründen über-
zeugen wir einen denkenden Geist, mit machtvollen
Suggestionen überrumpeln wir ein lenksames Gemüt.
Aus den Tatsachen der Hypnose lernten wir die tiefe Wirkung
der suggerierten Idee auf Leib und Seele des Hypnotisierten, ihre
erleichterte Umsetzung in die Tat, die Steigerung der sensorischen
und muskulären Erregbarkeit bis zu Sinnestäuschungen und
Krämpfen; wir lernten zugleich auch die Bedingungen für
den Eintritt der Suggestion. Manchmal ist es ein Einlullen der
Kritik durch kluge Benützung der Gesetze psychologischer Wirkungen
, manchmal ein rasches autoritatives Überwältigen der im
Wege stehenden Gedanken, manchmal eine geschickte Ausnützung
einer vorhandenen Stimmung. Es verschlägt dabei grundsätzlich
wenig, ob die suggerierten Gedanken objektiv riehtig oder falsch
sind. Nicht die Logik siegt bei der Suggestion, sondern der
Glaube. Ja, eine Suggestion kann sogar vom Verstand als unsinnig
erkannt werden und doch ihre Befolgung erzwingen.

Es ist nun eine allbekannte Tatsache, daß sich eine Ansammlung
gleichgestimmter Menschen, eine
Masse, dem Versuche suggestiver Beeinflussung gegenüber
wesentlich anders verhält, als der Einzelne oder ein kleiner Kreis.

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