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Eben-Lederer: Heinrich Heine und das Uebersinnliche. 161
daß Du in Deinen Liedern auch etwas mehr und etwas öfter
,Organ gewesen wärest."
Ein moderner psychologischer Forscher hat in den „Memoiren"
Heines „die klassische Schilderung der Entwicklung eines jugendlichen
Individuums zum Medium" gefunden; in der Tat bedeutet
jener Bericht Heines über seine „Obsession" durch den verstorbenen
Großoheim einen wichtigen Beitrag zur Medialität des
tief im Traumleben wurzelnden jungen Heine.
Mit den Worten: „Ich versank ganz in den düsteren
mystischen Schacht der Traumwelt" charakterisiert Heine selbst
ein rätselvolles Jahr seines Jünglingslebens, währenddessen er,
einem Somnambulen gleich, ganz zur Beute wird den aus dem
Unbewußten heraus ihn, seine nächtlichen Träume, seine Handlungen
beherrschenden „übersinnlichen" Mächten. Es ist die Entstehungszeit
der schaurigwilden „Traumbilder", die Zeit, wo er,
in einer ^„aus Lust und Schauder" gewebten Neigung das „rote
Seffchen" küßt, die Tochter des Scharfrichters, die Nichte der
„alten Göchin", deren unheimliches Zauber- und Hexenwesen ihn,
aus seiner eigenen Veranlagung heraus, unwiderstehlich anzieht.
Intuitiv ahnt er, die nicht zu ermessende Tiefe und Höhe der
hinter dem Hokuspokus der Alten stehenden Probleme, und die
Erzählung von dem Richtschwert, das durch die erreichte Zahl
von hundert Hinrichtungen ein schauerlich-blutiges Eigenleben erhalten
hat und vergraben werden muß, um nicht, jedem, mit dem es
in Berührung kommt, zum Verderben zu werden, läßt auf ein
frühes Vertrautsein mit diesen Problemen, speziell mit der Hypothese
vom „Gedächtnis der Dinge", schließen. Darf man dem
Bruder des Dichters, Max Heine, glauben, so ist bei dem Hamburger
Brande ein Manuskript verlorengegangen, dessen Heldin
die alte Göchin war, und dessen Verlust um so tiefer zu beklagen
ist, als es interessante Aufschlüsse über Heines Verhältnis
zum Übersinnlichen enthalten haben soll. Die später geschriebenen
„Elementargeister" und das Vorwort vom Dr. Faust, an sich eine
umfangreiche Kenntnis Heines in bezug auf Zauberwesen und
Hexenart verratend, -vermögen die verlorene „Hexe von Goch"
nicht zu ersetzen.
„Es gibt wohl wenig Menschen, schreibt im Jahre 1825 ein
Studienfreund Heines, Ferdinand Oesterley, an seine Braut, „wo
das Innere im Stillen immer so mächtig und fürchterlich fortbrütet
, wie bei Heine," — und bestätigt so die „Dämonie" seiner
Natur. Zu den wundervollen Blüten dieser Dämonie ist auch sein
an „Hexerei" gemahnendes, hellsichtiges und hellhöriges Erfassen
ihm fremder Kunstgebiete zu rechnen.
Wenngleich Heine von Malerei nicht das Geringste „verstand
", ihm die „Technik" ein Buch mit sieben Siegeln war, so
daß er in der Vorrede zum Salon I (Besprechung der Gemälde-
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