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168 Psychische Studien. XL1II. Jahrgang. 4. Heft. (April 1916.)
Fingerspitze, rot, wie ein flammendes Schwert. Um Mitternacht
wurde sein Sohn enthauptet. Den Morgen darauf war das Zeichen
schon ziemlich, in ein paar Tagen ganz verschwunden.
Claude le Tisserant („De Prodigiis" 1575) erzählt
von der Frau eines Parlamentsrates der Provence, die im Traume
ihren Gatten hinrichten sah, welcher auch wirklich zu Paris enthauptet
wurde. Beim Erwachen war ihre Hand steif zusammengeschlossen
, daß sie dieselbe nicht öffnen konnte. Als man sie
gewaltsam auseinanderzog, fand sich auf der Innenfläche das Bild
ihres Gatten mit abgehauenem' Kopfe, wie ein Muttermal und
blutend, was seinerzeit viele gesehen haben. —
In der Geschichte der besessenen Ursulinerinnen zu Loudun,
welche so viel Aufsehen machte, kamen ebenfalls solche Phänomene
vor. So als die dortige Priorin 1635 zu Füssen des Exorzisten
niederstürzte, erschien auf ihrer Stirne ein Kreuz, aus welchem
frisches rotes Blut hervordrang. Einige sagten, sie könne sich
diese Figur in ihren Konvulsionen mit einem versteckten Eisen eingeritzt
haben. Es folgte jedoch ein zweiter Vorgang der Art, wo
sich das Wunder vor den Augen der Zuschauer langsam gestaltete.
Sie hielt den linken Arm in die Luft; da bildeten sich auf ihrer
Hand blutige Buchstaben, die sich zu dem Namen Joseph zusammensetzten
. — Es ist darüber ein förmliches Zeugnis aufgesetzt
worden, unterzeichnet von Dersidu, königlichem Rate und
Prokurator der Kommission, dem Exorzisten Pater Surin, dem
Protestanten Montagu usw. Unter dem Siegel schrieb H. v. Mon-
tagu auf englisch noch besonders: ,Ich habe die Hand weiß gesehen
, wie meinen Halskragen, auf einmal aber rot werden und
ein deutliches Wort erscheinen, welches Joseph war. (Histoire
des diables de Loudun, Amsterdam 1716.)
Eine Magnetische hatte einen sehr lebhaften Traum, worin
ihr eine rote und eine weiße Rose geboten wurde. Sie wählte die
erstere. Beim Erwachen fühlte sie am Arm ein heftiges Brennen,
und es bildete sich binnen 8 Tagen das vollständige, etwas über
die Haut erhobene Gemälde einer Rose nach Zeichnung, Färbung
und Schattierung aus. Das Bild wurde dann wieder blasser und
verschwand binnen einer Woche wieder ganz. (Blätter aus Pre-
vorsl IX, 228.)
Die Stigmatisation der religiösen Ekstatiker, wie sie seit dem
hl. Franz von Assisi vorgekommen, ist so bekannt und historisch
gewiß, daß wir sie nur leicht zu berühren brauchen. Die sympathetische
Anschauung des Leidens Christi bewirkt hier die äußere,
leibliche Ausprägung der Verwundungen, die er erlitten hat, die
Dornenkrone, die Seitenwunde, die Nägelmale an Händen und
Füßen, die Male der Geißelung; dazu kommen auch Kreuze. Die
Anna Katharina Emmerich hatte deren zwei; auf dem Brustbein
hatte sich ein Gabelkreuz gebildet, etwas tiefer befand sich ein
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