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Kaindl: Teleplastik und Fata Morgana.
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Kreuz von gewöhnlicher Form. Bei der Terziarerin Masrona, die
bei Grenoble um 1627 lebte, fand man nach ihrem Tode in der
Nähe des Herzens ein Stigma, welches in sich die sämtlichen sonst
getrennten Fünfe vereinigte, eines stand in der Mitte, einer purpurroten
Rose gleich, um sie her die anderen ins Viereck gestellt.
Eine besondere Tatsache berichtet als Augenzeuge Thomas Canti-
pratanus von einem Dominikaner Voluandus in Straßburg. Derselbe
pflegte fort und fort, im Stehen, Gehen, Sitzen, mit dem
Daumen das Zeichen des Kreuzes auf der Brust zu machen. Nach
seinem Tode fanden die Brüder das Brustbein, in welches die
Rippen einlenken, mit einem Kreuze bezeichnet, welches aus
Knochensubstanz, wie in erhabener Arbeit, hoch herausgebildet
war; die drei oberen Arme gingen in Lilien aus; das untere,
längere, endete in einer Spitze, als solle es irgendwo eingestoßen
werden.
In den eben angeführten Fällen hat die plastische Bildungskraft
der Psyche ihre normale Wirkungssphäre bereits über-
schritten; in den folgenden Beispielen aber überschreitet sie sogar
die Peripherie des Körpers. Hof rat Reinbeck erzählt: Eine Frau
sah in ihrem Sacktuche Blut und in diesem das Bild ihres Sohnes
mit einer Wunde am Halse. Es kam darauf die Nachricht, daß er
im Duell einen Hieb in den Hals erhalten und daran gestorben sei.
Das Blutbild wurde aus dem Tuche herausgeschnitten und unter
Gas und Rahmen aufbehalten. König Friedrich Wilhelm ließ es
1 790 von der Familie Westphal holen, und es wurde von mehreren
Personen in Augenschein genommen. (Magikon HL 139.)
Eine Besessenheitsgeschichte mit außerordentlichen Erscheinungen
war die von Auxonne. Hier ließ eine der besessenen und
beschworenen Nonnen 166i auf ihrer Binde in großen, wie mit
Blut geschriebenen, Buchstaben den Namen Jesus, Maria, Joseph
erscheinen; noch einen Augenblick vorher hatte man die Binde
ganz weiß gesehen. (Über die besessenen Nonnen von Auxonne
existiert ein Bericht von vier Bischöfen, den Doktoren der Sorbonne
und einem Arzt von Chalon, welche die Vorgänge beobachtet
haben. (Causes celebres, Bd. XI, S. 278—291.)
Ein ziemlich seltsames Phänomen ist auch das Erscheinen
von Kreuzen auf verschiedenen Gegenständen, dem gegenüber ein
billiger Skeptizismus nur schlecht angebracht sein dürfte.
Im Jahre 746 trat unter der Regierung von Constantinus
Copronyrous in Konstantinopel eine heftige Pest auf, die drei
Jahre dauerte, und zu gleicher Zeit erschienen schwarze Kreuze
auf den Bekleidungsstücken derjenigen, welche von der Krankheit
befallen werden und daran sterben sollten, was in der Tat
auch stets zutraf. (Theophr. u. Theodor Trithemius Kap. II, S. 3.)
„Die Chronik von Sigibert spricht von einem anderen plötzlichen
Auftreten von Kreuzen, welche sich, sowohl an den Kleidern
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