http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0180
176 Psychische Studien. XLIII. Jahrg. 4. Heft. (April 1916.)
uns stehen" (187). Denn alle meine Aussagen über die Welt
schließen ja immer schon die Beziehung auf mich selbst als wahrnehmendes
Subjekt ein (vgl. 82, 198 f.). Ich kann in Wirklichkeit
gar nichts absolut denken: im Stillen stelle ich mich noch
immer als den Beobachter vor, der die Dinge sich gegenüber
sieht (187). Und darum liegt auch „kein Widerspruch darin,
daß ich die nicht wah rgenommenen Dinge mit ihren wahrnehmbaren
Qualitäten denke und zwar existierend denke; denn ich
denke sie damit in Rel ation zu mir. Der Widerspruch
wäre aber sofort da, sowie ich diese Eigenschaften den Dingen als
absolute, von mir oder einer ähnlichen Organisation abgesehen,
beilegen wollte! Denn ein anderer oder vielleicht ich selbst zu
anderer Zeit würde sie anders finden" (187). Darum darf ich mir
die Fortdauer der Dinge nicht als „eine absolute, für jeden Wahrnehmeaden
gleiche Fortexistenz" denken. Sondern ich muß die
Dmge „genau wie bei der Wahrnehmung durch verschiedene Individuen
, so auch wie bei der Fortexistenz für jede Individualität
anders denken: anders für den Farbenblinden, anders für den
Tauben und anders für den völlig Blinden, und anders für eine
etwaige von der menschlichen überhaupt abweichend organisierte
Intelligenz". Dann gibt es keinen Widerspruch. Und wir er-
kennen, daß niemals eine tiefere Wahrheit ausgesprochen worden
ist als die des Prolagoras : die Welt ist für jeden so, wie
sie ihm erscheint (188). —
So P e t z o 1 d. — Aber ist denn mit dieser relativistischen
Wendung unser Problem wirklich gelöst? Ist es wahr, daß es
hier ..keine Rätsel mehr gibt" (198) und daß diese positivistische
„Auffassung von dei unabhängigen Fortdauer der nicht mehr
wahrgenommenen Dinge allen billigen Anforderungen genügt"
(183) ? — Durchaus nicht. P e l z o 1 d hat sich nur mit ein paar
unklaren Redensarten um die eigentliche Frage herumgedrückt
und, ohne es zu merken, seine eigene Position völlig verschoben.
Erst schreibt er: „Darin liegt kein Widerspruch, daß ich die nicht
wahrgenommenen Dinge mit wahrnehmbaren Qualitäten fortexistierend
denke". Und dann hebt er mit dem Nachsatz: „denn
ich denke sie damit in Relation zu mir" den Vordersatz
un\ ermerkt wieder auf und zeigt uns, daß er sich „die nicht
wahrgenommenen Dinge" im Grunde doch nur als — wahrgenommene
Dinge denkt! Damit aber*sind wir genau so
klug wie vorher. Wir sollten erfahren, wie wir es anzufangen
haben, jene Verbände sinnlicher Elemente, die wir in unserer
Wahrnehmung vorfinden, „auch unabhängig von
unserer Wahrnehmung noch existierend zu
denken" (183)! Und wir werden belehrt, daß das unmöglich ist,
weil wir diese sinnlichen Qualitäten nur in Beziehung auf uns
selbst als wahrnehmende Subjekte, also abhängig von unserer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0180