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Kurze Notizen. 195
verstehen wollen, müssen wir „schwarz denken lernen*'. In der
furchtbaren Kopfjagd bei den Melanesiern und bei den Malaien
sah man bisher nur eine Aeußerung barbarischer Widheit bezw.
einen Beweis urwüchsiger Tapferkeit. Nun hat Dr. St übe in
der „Natur" dargelegt, daß diese Jagd auf Menschenköpfe ihren
Ursprung in religiösen Anschauungen der Wilden hat. Sie hängt
mit dem in der primitiven Religion der Melanesier heimischen
Begriff „Mana" [vielleicht identisch mit der indogermanischen
Wurzel „man = Geist, manes, die Geister der Verstorbenen,
mens Verstand, Minerva der göttliche Geist als Göttin der Weisheit
, Minne vom Denken an den Gegenstand der Liebe] Meng
zjsammen, das im gewöhnlichen Sprachgebrauch etwa „Macht"
[aber geistige Macht] bedeutet. Das Mana der Melanesier ist
jedoch nicht als ein besonderer „Geist" aufzufassen, es ist vielmehr
eine unpersönliche, übernatürliche, geheimnisvolle Kraft,
die sowohl in Personen, wie in Dingen ihren Sitz haben und
durch sie wirken kann. Wer „Mana" besitzt, kann Krankheiten
heilen, Wetter bestimmen, die Zukunft erkennen. Es ist also
dieses „Mana" ein Mittel urwüchsiger Magie. Wie die westafrikanischen
Neger bemüht sind, sich alle möglichen kraftbeladenen
Gegenstände aus dem Tierreich zu beschaffen und sie dann über
ihrer Hütte aufzuhängen, jagen Melanesier und Malaien, z. B.
die Boyak auf Borneo, auf Menschenköpfe, um das in ihnen wirksame
„Mana" zu gewinnen. Wenn die Männerhäuser der Mar
laien und Melanesier mit Schädeln ausgestattet werden, so ist das
kein von barbarischer Rohheit geschaffener Zierrat, sondern eine
Sammlung magischer Kraftmittel. Denn in einer urwüchsigen Gemeinschaft
von Naturmenschen besteht eben auch die harte Notwendigkeit
, sich um jeden Preis einen genügenden Vorrat von
Macht über andere, bezw. Feinde zu sichern. — Dr. M.
d) Das Wort „les Lusitains" bei Nostradamus.
Bald nach der Torpedierung der Lusitania ging durch viele Blätter
der Hinweis, daß der altfranzösische Seher Michael Nostradamus
diesen Schiffsuntergang traumseherisch wahrgenommen haben müßte,
denn der Quatrain Cent. X, 100 lautet in seiner letzten Zeile:
„Les Lusitains n'en seront pas Contents." Es dürfte aber jetzt,
da wir uns im Kriegszustand mit Portugal befinden, recht verblüffen
, daß Albert Kniepf in seinem Büchlein „Die Weissagungen
des Nostradamus und der Weltkrieg" (im Hephaestos-
Verlag-Hamburg, erschienen) bereits in der ersten Auflage (im
September 1914), also gleich nach Ausbruch des Krieges,
diesen Vers folgendenmaßen deutete und übersetzte (Seite 28 und
29 der ersten Auflage; Seite 33 und 34 der jetzigen dritten Auflage
) : „Das englische Weltreich wird mehr als drei Jahrhunderte
bestehen (Nostradamus starb 1566, also wäre Englands Zeit demnach
reichlich erfüllt!), dann passieren große Truppenmassen zu
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