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226 Psychische Studien. XLIII. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1916.)
stand gehöre ich, der Fragende selbst, als unausschaltbarer Teil
mit dazu. Frage ich aber nach der Welt an sich, so frage ich, wie
die Welt ohne mich ist. D. h. ich verzichte erst ausdrücklich
auf mich selbst und stelle mich dann doch der Welt
wieder als Beobachter gegenüber (198 f.). Nach der Welt an sich
fragen, ist also „heillose logische Verwirrung*': es heißt „Denken
wollen ohne den Satz der Identität und des Widerspruchs, ohne den
entschiedenen Willen, die eben noch eingenommene Position aufrecht
zu erhalten*'.
So versichert uns wenigstens Petzold (199, vgl. 82).
Aber in Wahrheit ist die Sache doch nicht so schlimm, wie er sie
darstellt. Ja, Petzold selbst kümmert sich, wie wir schon gesehen
haben, gar nicht ernstlich um sein eigenes Verbot. Denn wenn er
annimmt, daß wir in der Wahrnehmung die wirklichen Außendinge
„unmittebar erfassen" und daß „die so wahrgenommenen
auch nach unserer Wahrnehmung weiter existieren" (184, 191),
dann behauptet er eben damit, die Dinge seien auch an sich
so, wie sie für mich sind. Aller naiver Realismus,
auch der posith islisch aufgeputzte, is* eben im Grunde nichts
weiter als der Glaube, daß wir uns in der Wahrnehmung der wirklichen
Dinge oder der „Dinge an sich" unmittelbar bemächtigen
(155). Und wenn der kritische Denker diesen naiven Glauben
ablehnt und eine bloß mittelbare Erkenntnis der Dinge anstrebt
, dann begeht er damit keineswegs einen logischen Widerspruch
, denn er will ja die Welt, wie sie ohne ihn ist, eben nicht
unmittelbar erfassen. Er will sich nur, auf Grund der ihm unmittelbar
gegebenen Tatsachen des Bewußtseins, und mit Hilfe
von Rückschlüssen aus seinen bewußten Empfindungen auf deren
außerbewußie Ursachen, ein rein gedankliches Bild von
jener außerbewußten Welt der Dinge an sich machen. Und er
stellt dieses sein Gedankenbild als Objekt ausdrücklich sich als
dem denkenden Subjekt gegenüber. Er verzichtet also mit der
Frage nach der Beschaffenheit der Welt an sich durchaus nicht
auf sein Ich. Er versucht keineswegs „Das Unmögliche und Sich-
selbstwidersprechende: eine Anschauung ohne anschauendes Subjekt
zu geben" (83). Und er schließt auch keineswegs jede reale
Beziehung zwischen seinem Ich und der fraglichen Welt aus,
sondern er nimmt diese gemutmaßte Beziehung zwischen seinem
Ich und der fraglichen Welt gerade zum Ausgang seiner Betrachtung
und untersucht nur, ob sich mit ihrer Hilfe etwas über
die unabhängig von ihm existierende Welt jenseits seines Bewußtseins
aussagen läßt. ^—
(Fortsetzung folgt.)
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