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Ludwig: Origenes und die Präexistenz.
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rung der Seele in neue Menschenkörper ablehne, während Lang
herauslas, Origenes habe hier den nachmaligen Eintritt der Vernunftwesen
in ein irdisches Sein für unmöglich erklärt, obwohl
doch die Möglichkeit eines nochmaligen Eintritts in ein irdisches
Dasein ein integrierender Teil der origenistischen Hypothese von
der ewigen Weltentwicklung und Veiänderung auf Grund des absoluten
Freiheitsbegriffs sein mußte. Man müsse also annehmen,
daß Origenes in seinem Alter diese Möglichkeit fallen gelassen
habe. Das ist nicht richtig. Origenes hat in keiner Weise sein
System von der ewig fortdauernden Freiheit des menschlichen
Geistes und damit der Möglichkeit zu einem neuen Sündenfall auf-
gegeben. Was er im Matthäuskommentar Bd. 13 S. 567 ff. ab-
lehnt, ist einzig die altgriechische und indisch-theosophische Auf-
lassung der Reinkarnation, die ein schließliches Weltende und ein
jenseitiges Gericht ablehnt und die ganze Seelenläuterung durch
immer aufs neue wiederholte Reinkarnationen völlig ins Diesseits
verlegt, „quod scripturarum non placet veritati**. Er fühlt sich
hier durch das kirchliche Dogma gebunden und argumentiert
folgendermaßen (in der exegetischen Ausführung zu Matth. 17,
10) : Man darf nicht annehmen, daß in Johannes dem Täufer die
Seele des Elias wiedergekommen sei, „ne forte in alienam ab
ecclesia Dei de rnigratione e corpore in corpus sententiam, neque
ab aposlolis traditam neque uspiam in scripturis prolatam incidam*'.
Denn einer solchen Meinung widerspricht das Schriftwort „Himmel
und Erde werden vergehen**, „die Gestalt dieser Welt vergeht**.
Würden nun die Seelen für die Sünden, die sie im irdischen Leben
begehen, durch Reinkarnation gestraft werden, so wäre für diese
Welt kein Ende abzusehen, weil es immer wieder sündige Seelen
geben wird, für die Reinkarnationen in infinitum notwendig
würden. Der ganze Nachdruck der Beweisführung des Origenes
— und das ist leider nicht beachtet worden — liegt in den Worten
„quae si consequenter inferatur (nämlich die Metempsychose),
non erit cito, ut anima desinat iterum atque iterum suseipere
corpus. Semper enim propter delicta praecedentia revertetur et
sie locum non habebit consumatio mundi", Ein solches Weltgericht
und Weltende durch unmittelbares Eingreifen Gottes müssen
die heidnischen Philosophen leugnen, „quod si transitum animarum
in varia corpora in\ehunt ethnici, utpote consentanea doctrinae
huic adstruentes, mundi interitum necessario non admittunt etc.**
Diese Stelle ist zugleich ein wertvoller Beweis für das Bemühen
des Origenes. mit seiner Spekulation nicht in Widerspruch zur
kirchlichen Lehre zu geraten. Wäre nicht die Lehre vom Weltgericht
entgegengestanden, so wäre es in der Konsequenz seines
Systems gelegen gewesen, wiederholte Reinkarnationen zuzugeben.
Allein da über den Ursprung der Seele dogmatisch nichts festgelegt
sei, „si extrinsecus corpori inditur necne, non satis mani-
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