http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0260
256 Pyehisehe Studien. XLUL Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1916.)
Wie wenig aber dT'ese Lehre mit dem christlichen Glaubensinhalte
stimmen wollte, das hat die altchristliche Kirche stets gefühlt
und kräftig dagegen reagiert. Schon längst vor Origenes
war diese Reaktion erfolgt, als die Gnosis, dieser synkretistische
Versuch einer Amalgamierung christlicher Lehren mit hellenischer
und altorientalischer Philosophie, auch die Präexistenzlehre vertrat
. Da traten Irenaus in seiner gewaltigen Streitschrift adversus
häreses (um 180 verfaßt) und Tertullian in de anima28) in der
ihm eigenen bitter sarkastischen Weise dagegen auf. Gegen
Origenes aber wendete sich noch im Verlauf des 3. Jahrhunderts
Bischof Methodius von Olympos, der, wie das obige Zitat aus
Bonwetsch2*') bereits zeigte, gerade die Präexistenzlehre als unchristlich
ablehnte „äiizcu yäg tjficov ji'jqqo 'ÜQiyir^ xal
oi xov 'Ogr/erov* uvörat, x(bv fjiiETtQov i^v/cdv jiqov-
cragSiv ftvfuxcÖQ (favra^ofisvoi*' etc. und es ist unfaßlich, wie
Lang:;,)) behaupten konnte, Methodius habe ebensowenig wie
Hieronymus diese Lehre des Origenes bekämpft. Offenbar hal
Lang von den origenistischen Streitigkeiten kaum eine Ahnung gehabt
, jedenfalls nie den Brief des Hieronymus an Avitus gelesen,
in dem dieser aufs schärfste die Präexistenzlehre des Origenes als
heterodox zurückweist. Wahrscheinlich schöpften jene modernen
Okkultisten, die auch Hieronymus als ^£mJ> Vertreter der
Präexistenzlehre feiern, ihre falsche Information aus Längs Schrift.
Da aber bis zum 6. Jahrhundert keine ausdrückliche kirchliche
Verdammung der Präexistenzlehre bzw. der Irrtümer de?
Origenes vorlag, so gab es immer wieder Forscher, die, unter dem
Eindruck der Autorität eines Origenes und aus neuplatonischen
Schriften schöpfend, die Präexistenz vertraten. So kam es schließlich
--- es ist nicht meine Aufgabe, in eine eingehendere Schilderung
der Origenistenkämpfe einzutreten — zu jenem berühmten
Eingreifen des Kaisers Justinian, dieses gewiegten Theologen und
Dogmatikers auf dem Throne. Die Anregung hierzu ging aus von
palästinensischen Mönchen, die vom Kaiser eine Verwerfungssentenz
gegen des Origenes Schriften zu erwirken suchten.'-*1)
Daraufhin erließ Justinen unter der Form eines an den Patriarchen
Mennas von Konstantinopel gerichteten Schreibens jenes Edikt,
das am Schluß die Irrtümer des Origenes in zehn Sätze zusammenfaßt
. Gleich der erste richtet sich gegen die Präexislenzlehre.
.,Wer sagt oder meint, die menschlichen Seelen präexistieren, d. h.
sie seien vorher Geister und heilige Kräfte gewesen, hätten aber,
satt des Anblicks Gottes, sich zum Schlimmen gewendet, deshalb
•r
2h) Vgl. meine Abhandlung „Irenäus und Tertullian gegen die
Reinkarnationslehre*, Theologie und Glaube, Jahr. 7 Heft 3.
*») Vjrl. Kötschau, B. A. 5, 159.
•«>) A. a. O. S- 8 A. 2.
»») Hefele„ Konziliengeschiehte^ Bd. 2 & 786 ff.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0260