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274 Psychische Studien. XLIIL Jahrgang, 6. Heft (Juni 1915).
Menschen nach dem Tode schildern, insofern die beiden ersten
Verse sich auf die Seelenwelt (Kamaloca) und der dritte sich auf
das Geisterland (Devachan) bezieht.)
Bald darauf versucht Goethe seine starke Neigung zur Frau
von Stein mit den folgenden an Wieland gerichteten Worten zu erklaren
: „Ich kann mir die Bedeutsamkeit, die Macht, die diese
Frau über mich hat, anders nicht erklären, als durch die Seelenwanderung
. Ja, wir waren einst Mann und Weib!" Und das
gleiche sagte er (1776) der Freundin selbst mit den bekannten
(schon von der Schriftleitung S. 235, Fußnote, angezogenen)
Versen:
rSag' was will das Schicksal uns bereiten ?
&agT, wie band es uns so rein genau ?
Ach, du warst in abgelebten Zeiten
Meine Schwester oder meine Frau/
Ferner schrieb er ihr drei Jahre später: „Wenn ich wieder
aul d,e Erde komme, will ich die Götter bitten, daß ich nur einmal
liebe, und wenn Sie nicht so feind dieser Welt wären, wollt'
ich um Sie bitten zu dieser Heben Gefährtin/' Des weiteren im
Juli 1781, als ob es sich um eine ganz selbstverständliche Sache
handelte: „Wie gut ist's, daß der Mensch sterbe, um nur die Eindrücke
auszulöschen und gebadet wieder zu kommen.*' Sodann
im Dezember des gleichen Jahres: „Herders Gespräche über
Seclenwanderung sind sehr schön und werden Dich freuen."
In einem an Knebel (1781) gerichteten Brief findet sich die
Stelle: „Ein Artikel meines Glaubens ist es, daß wir durch Stand-
haftig keit und Treue in dem gegenwärtigen Zustande ganz allein
der höheren Stufen eines folgenden wert und sie zu betreten fähig
werden, es sei nun hier zeitlich oder dort ewig."
Aus Venedig schreibt Goethe im Oktober 1786: „Es ist mir
wirklich auch jetzt nicht etwa zumute, als ob ich die Sachen zum
erstenmal sähe, sondern als ob ich sie wieder sähe."
Am Todestage Wielands (25. Januar 1813) führte er mit
Falk ein mit geradezu unheimlicher Mystik übersättigtes Gespräch,
in dem er unter anderem verlauten ließ: „Ich bin gewiß, wie Sie
mich hier sehen, schon tausendmal dagewesen und hoffe wohl
noch tausendmal wieder zu kommen." Ein anderes Mal sagte er
zu Falk: „Wir alle, so viel wir unser sind, haben uns von der Welt
doch irgend etwas weismachen lassen, und eben deshalb können
wir auch noch einmal wiederkommen."
Im August 1815 äußerte Goethe gegen Boisseree: er habe gewiß
schon einmal unter Hadrian gelebt; alles Römische ziehe ihn
unwillkürlich an . . . Boisseree sei gewiß auch schon dagewesen
im 15. Jahrhundert. Und im September des gleichen Jahres
drückte er gegen denselben Freund seine Freude aus, daß die
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