http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0282
278 Psychische Studien XLIII. Jahrg. 6. Heft (Juni 1916.)
jener gesetzmäßigen Beziehungen und betrachten sie als die wirklichen
Elemente der „von unserer besonderen biologischen Organisation
unabhängigen Welt". D. h. wir heben ihre vorher festgestellte
Abhängigkeit von unseren Sinnen in Gedanken wieder auf
und stellen sie uns im Widerspruch mit unserer besseren Einsicht
doch als an sich daseiende Dinge, als „Qualitäten an sich*' vor.
Wir geraten also gerade durch das ängstliche Festhalten an
der sinnlichen Anschauung in jene „heillose logische Verwirrung'*,
die Petzold gern vermeiden möchte (199). Und ein Ausweg
aus den von ihm nicht überwundenen Schwierigkeiten des Erkenntnisproblems
ist nur dadurch zu erreichen, daß wir uns bei
unseren Aussagen über die wirkliche Beschaffenheit der Welt ganz
von der besonderen Qualität unserer Sinnesempfindungen unabhängig
machen (189).G) Darum brauchen wir es dem Naturforscher
noch keineswegs zu verargen, wenn er für seine
nächsten Zwecke auch die sinnliche Vorstellung mit
zu Hilfe nimmt. So mag er z. B„ wie bisher, auch weiterhin ruhig
fortfahren, uns von jener Urzeit der Erde, wo es noch keine Lebewesen
mit besonderen Sinnesorganen gab, ein Bild zu entwerfen.,
das mit den Farben unserer sinnlichen Anschauung gezeichnet ist
(191 f.). Und er mag sich auch bei der Beschreibung der
chemischen und physikalischen Vorgänge gern der herkömmlichen
atornistischen Vorstellungen bedienen (192) und sich die Elemente
der Chemie oder die Elektronen der modernen Physik als kleine
Körperchen oder raumerfüllende Stoffteilchen vorstellen. Aber er
soll sich dabei immer bewußt bleiben, daß diese „Korpuskeln",
ebenso wie jene Farben und Töne an seinem Bilde der Urzeit
unseres Planeten, nur „Hilfsmittel der Beschreibung" sind, die als
solche „wohl zum Entwerfen von (vorläufigen) Bildern des
Wirklichen verwendet, aber nicht als die Wirklichkeit selbst angesehen
werden dürfen" (192)! Und wenn er gar ein Erkenntniskritiker
sein will, dann soll er sich, ebenso wie der Philosoph, der
sich mit dem „Weltproblem" befaßt, grundsätzlich klar machen,
daß jene sinnlichen Qualitäten der uns gegebenen Empfindungswelt
von der Tätigkeit unserer Sinnesorgane abhängig sind
und daß sie darum auch nicht die wirklichen Elemente der von
uns unabhängigen Welt des physischen Geschehens und die
Träger oder Gegenstände ihrer gesetzmäßigen Beziehungen sein
können. — *
Es ist also — trotz aller Einwände Petzolds — ganz in
der Ordnung, wenn „die Frage nach der Welt an sich ausdrücklich
von allen sinnlichea Qualitäten absieht" (198). Und nicht das
ist „unlogisch", daß man überhaupt nach Dingen an sich oder
fi) Auf S. 189 lasen wir ja bei Petzold selbst, daß das „deckbar
" sei. .
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0282