http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0312
J08 Psychische Studien. XLUL Jahrgang. 7. Heft (Juli 1916).
liegen läßt, jemand könnte sich für diesen interessieren und eine
Stunde nachher wird der Wunsch auf Überlassung desselben ausgesprochen
; oder wenn man fernab der Wohnung irgendwo im
Garten schönen Flieder blühen sieht, dabei denkt, ein Zweig würde
im Zimmer sich gut ausmachen und kaum wieder zu Hause wird
der Gedanke zur Tat, wird tatsächlich ein Fliederstrauß ins Zimmer
gebracht, so ist hier beidesmal bei zwei verschiedenen Personen
ein und derselbe Gedanke gekommen und aufgenommen worden,
wobei es gleichgültig ist, wer von beiden zuerst den Gedanken gefaßt
hat. Oder die Wirtin erhält Besuch; dieser macht dem
Zimmerherrn seine Aufwartung, verabschiedet sich jedoch bald mit
der Bemerkung: „Ich möchte nicht länger stören, möchte auch
noch etwas musizieren'*. Und nun? An und für sich ist nichts
besonderes daran, wohl aber, daß die Aufwartung eines völlig
fremden Herrn mit allen Einzelheiten uns mit diesen Worten eine
Stunde vorher schon telepathisch übermittelt worden war!
Gedanken kommen und gehen und viele Gedanken erreichen
gar nicht ihr Ziel, finden noch nicht das zur Aufnahme empfängliche
, d.h. abgestimmte Hirn. Und wenn Gedanken ihr Ziel
erreichen, so geschieht es nicht zufällig, sondern notwendig, wenn
der Vorgang auch noch so unwichtig erscheint. Da es keinen Zufall
im Weltgeschehen, im allgemeinen gibt, kann es auch keinen
Zufall bei Gedankenübertragung, im besonderen geben. Diese Behauptung
läßt sich glücklicherweise, wenn auch nicht direkt, so
indirekt beweisen, vielmehr ist schon längst bewiesen worden.
Nämlich das Gegenteil, daß alles Geschehen notwendig geschieht,
ist bewiesen und zwar durch die Tatsache der Voraus- und Rückschau
(Hellsehen). Kann wohl etwas einleuchtender für obige
Behauptung sein, als gerade die Tatsache des Voraussehens, denn
wie wäre das möglich, wenn es Zufall gäbe, wenn nicht alles so
geschähe, wie es notwendig geschehen müßte!
Ich erwähnte seinerzeit den praktischen Nutzen der Telepathie;
wie auch die Kenntnis des Hellsehens nützlich, und wie auch hier
von Zufall gar nicht die Rede sein kann, möchte ich durch folgendes
veröffentlichte1) Beispiel zeigen, das wohl zwischendurch mit
eingeflochten werden darf.
Im Oktober 1912 verschwand eine Frau G. in Hildesheim.
Nach fast dreimonatlichem, vergeblichen Suchen erfuhr der
Schwiegersohn dieser Frau, daß der Magnetopath P. in Bielefeld
die Fähigkeit haben sollte, in die Vergangenheit zu schauen. Der
junge Mann suchte den Magnetopathen daraufhin auf und bat ihn,
ihm den Aufenthalt seiner Anverwandten zu nennen. — Obwohl
Herr P., wie er sagte, nicht öffentlich wirke, da er oft Undank
geerntet hätte, ließ er sich doch zuletzt herbei, den Versuch zu
*) »Die Loge" 1914 No. 2 bei Rohm-Lorch.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1916/0312