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Deinhard: Dr. Hübbe-Schleiden f
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scharfsinnigsten Denkern der Menschheit beizuzählen". — Die
„Sphinx" hat leider nur 10'/o Jahrgänge erlebt. Sie wurde den
meisten Lesern vom 6. Jahrg. an allzu populär und dilettantisch, bezw.
allzu indisch und theosophisch. Juni 1896 ging sie ein. Schon
längere Zeit vorher war Dr. H. S. nach dem Land seiner stille gehegten
Sehnsucht, nach Britisch-Indien zu einem Studien- und
gleichzeitig Erholungs-Aufenthalt gefahren, der beinahe 2 Jahre
währte. Die letzten Sphinxbände brachten noch seine ungemein
interessant geschriebenen indischen Reisebriefe, an denen sich
viele Leser erfreut haben.
Denn wie kaum jemals zuvor trat in diesen Reisebriefen aus
dem indischen Wunderland — dem Mutterland einer uralten Weisheit
und dem Heimatland eines philosophisch so hoch veranlagten
Volks-Stammes — die ganze Meisterschaft seiner Darstellungskunst
hervor.
Über seinen Verkehr mit indischen Okkultisten, über seine dortige
Begegnung mit einem, wie er überzeugt war, wirklichen „Mahatma"
enthalten diese Reisebriefe wenig oder nichts. Davon redete er
später nur in intimem Freundesk reis* — Es wird überraschen,
wenn ich sage, daß ihm selbst vieles in Indien als etwas Längstbekanntes
erschien. Diese riesigen Tempelbauten mit ihrem geheimnisvollen
Innern machten auf ihn oft den Eindruck von etwas
längst Geschehenem. Und es lag für ihn als Theosophen nahe, derartige
Eindrücke auf ein früheres Erdenleben zu beziehen, an das
sich sein inneres Selbst in solchen Momenten erinnerte. Wenn
man das bedenkt, dann wird man auch die Begeisterung verstehen
, die stets über ihn kam, wenn er später von diesen indischen
Reise-Erlebnissen sprach. In dieser Begeisterung brach jene
während der Indienfahrt gewonnene Überzeugung hindurch, daß
ihn alte „karmische Bande" mit diesem Land verknüpfen.
Dieser Studienaufenthalt sollte jedoch noch andere Früchte
zeitigen. Nach fast zweijähriger Abwesenheit nach Deutschland
zurückgekehrt, stellte er jetzt in der ländlichen Stille des Dorfes
Döhren bei Hannover in einem 268 Seiten starken Band: „Indien
und die Indier"*) die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen
Ergebnisse dieses Studienaufenthalts im fernen Osten zusammen.
In diesem Buch finden sich eingehende Betrachtungen über
Hinduismus und Brahmanismus, über das Familienwesen der
Hindus, über deren Gesellschafts-Ordnung, Kulturleistungen,
Religion und Philosophie. Es enthält eine besonders heute sehr
beachtenswerte Darstellung der britischen Staatswirtschaft und
schließt mit folgendem Ausblick in Indiens Zukunft: „Indien wird
zu einem mächtigen Staat erwachsen, der zugleich der Träger einer
freien religions-philosophischen Geisteskultur der Menschheit sein
wild, wie sie bisher nicht erreicht ward. Das ist die zukünftige
*) Hamburg, L. Friedrichsen u. Co. 1898.
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